- Fantomzeit - http://www.fantomzeit.de -

Tökei

Wie ein ungarischer Marxist über mangelhafte Geschichtsschreibung stolpert, aber deren Ursache verfehlt

Man findet auch in längst Bekanntem. Warum an dieser Stelle nicht mal ein Fund aus einem frühen Buch von Gunnar Heinsohn gemeldet, einem der ersten deutschen Velikovskyaner? Heinsohn berichtet im immer wieder lesenswerten Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft (Frankfurt am Main 1984) über die Antike-Rekonstruktion des ungarischen Marxisten Ferenc Tökei. Das Bemerkenswerte an diesem Autor ist, dass er erkennt, wie unwahrscheinlich ein 500-Jahre-Abstand zwischen mykenischer Adelsgesellschaft und griechischer Polis ist.

Tökei beharrt in seiner 1969 erschienenen Studie Antike und Feudalismus darauf, „daß die griechische Privateigentumswirtschaft aufgrund von agrartechnologischen Neuerungen – ‘entfesselten Produktivkräften’ – direkt aus der mykenischen Abgabenwirtschaft hervorgegangen sein müsse” (Heinsohn S. 57). Er begründet seine Auffassung also ökonomisch – nicht anders als Heinsohn selbst und die von ihm zusammen mit Otto Steiger entwickelte Eigentumsökonomik.

Tökei kennt Velikovsky offenbar nicht. Er weiß deshalb nicht, dass noch ganz andere Argumente für seinen Standpunkt sprechen. Diese Unwissenheit und der vollkommen naiv bleibende Glaube an die Evans-Datierungen veranlassen ihn zu einem abenteuerlichen Schritt: Er lässt die griechische Polis schon um 1200 v. Chr. beginnen! Dazu Heinsohn (ebd.): „Den auch von ihm nicht bestrittenen Quellenmangel für ein dunkles Zeitalter von 500 Jahren erklärt er sich leichthin daraus, daß die Privateigentümer über 500 Jahre hinweg einfach keine Schrift benötigt hätten, weshalb Quellen eben auch nicht erwartet werden dürfen.”

Die beiden Einwände, die Heinsohn gegen Tökei formuliert, sprechen fast für sich und gelten noch heute. Denn nicht nur ist an das Fehlen weiterer Funde für die fragliche Zeit zu erinnern. Auch kann Tökeis Meinung, dass Feudalherren die Schrift benötigen, um ihre Abgabenlisten zu führen, während Privateigentümer von diesem Zwang zur Verschriftlichung frei seien, so nicht stehen bleiben: „Tatsächlich ist festzustellen, daß die ganz neuen Rechtsstreitigkeiten der Privateigentümer als Gläubiger und Schuldner die Entwicklung der Schrift gerade mächtig vorantreiben” (Heinsohn S. 58).