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Kritische Dendrochronologie IV

von Andreas Otte

Bereits vor einiger Zeit war von einem Dendrochronologie-Projekt zu berichten, das angetreten war, allen Zeitkürzungsthesen für das Frühmittelalter mit den Mitteln dieser Methode eine Absage zu erteilen. Um so überraschender war das Zwischenergebnis, denn die Hollstein-Chronologie zeigte sich wiederholende Muster im Abstand von 207 Jahren und die Becker-Chronologie zeigte ebenfalls Ungereimtheiten.

Das größte Problem dieser Untersuchung aber waren die fehlenden Basisdaten, denn während in der Anfangszeit noch Kurven, zumindest aber Mittelwertkurven, veröffentlicht wurden, hat sich die Dendrochronologie inzwischen in eine Geheimwissenschaft verwandelt. Es werden fast keine Daten mehr publiziert, die eine unabhängige Untersuchung der Ergebnisse der Labore erlauben. Streng genommen hat sich dadurch die Dendrochronologie als Wissenschaft bis auf weiteres disqualifiziert. Auf die anderen methodischen Probleme soll hier daher gar nicht mehr weiter eingegangen werden.

Nun hat der Autor den damaligen Untersuchungen ein weiteres interessantes Detail hinzugefügt:

Das Trierer Amphitheater wird auf das erste Jhd. n. Chr. datiert. Im Arenakeller des Theaters fand sich in der Maschinerie verbautes Holz, das von Hollstein dendrochronologisch auf 290 n. Chr. datiert wurde. Als man das Holz barg, war der Keller geflutet, was das Holz schützte. Hollstein fand jedoch auch Holz in der Maschinerie, das er auf 668 n.Chr. datierte, was bedeutet, dass das Theater in frühmittelalterlicher Zeit wieder in Betrieb genommen und dabei eine 400 Jahre alte Holzkonstruktion repariert worden sein muss. Über den damaligen Zustand des Kellers kann man nur spekulieren. War er geflutet? Wie wurde das Holz der Maschine über knapp 400 Jahre vor dem Verrotten geschützt?

Dieses “frühmittelalterliche” Holz  ist jedenfalls bei Hollstein als Kurve einzeln dargestellt, also keine Mittelwertkurve. Wenn man die Angaben Holsteins (668 n. Chr.) mit heutigen Mitteln nachrechnet, dann kommt man auf ein Enddatum von 670 n. Chr. mit guten Werten. Wenn man diesen einzelnen Stamm nun versuchsweise mit den Funden der Kölner Brücke (heute dendrochronologisch auf 336 n. Chr. datiert) korreliert, dann sieht man ein interessantes Ergebnis:

Der “frühmittelalterliche” Stamm mit seinen 227 Jahrringen überlagert 100 Jahre von 236 – 336 des Holzes der Kölner Brücke mit guten Werten (Korrelationskoeffizient 0,43 – 0,57 je nach Normalisierungsmethode, T-Wert zwischen 4,7 und 6,8), andererseits endet er aber mit seinen 227 Jahrringen in 670 n. Chr. Anders ausgedrückt: Wenn wir die Dendro-Daten von 236 – 336 und von 443 – 453 betrachten, dann schauen wir mit guten Gründen auf Daten der gleichen Zeit.

Die Verwendung eines einzelnen Stammes schließt einen Anteil von Problemen aus, die sich durch eine Mittelwertbildung theoretisch ergeben haben könnten. Wer weiß, wie viele ähnlich gelagerte Fälle sich noch in den Hollstein Daten finden lassen? Die Hollstein-Daten gelten heute allerdings als veraltet, andererseits basieren die heutigen süddeutschen Chronologien auf den Kurven Hollsteins. Eine gewisse Relevanz kommt ihnen damit immer noch zu.

Es könnte sich natürlich auch um ein natürliches Phänomen handeln, bei 100 Jahren Überdeckung ist das allerdings nicht gerade wahrscheinlich.

Insgesamt wird mehr als deutlich, dass hier von Seiten der Dendrochronologie dringlicher Handlungsbedarf besteht. Der erste Schritt kann dabei nur die Veröffentlichung der dendrochronologischen Basisdaten sein.