Materialien und Diskussion gehören IMHO zusammen. Daher hier einige Anmerkungen zu Heraclius und Konstantin.
Die Vorstellungskraft von MZ reicht leider nicht aus, um zwei völlig unterschiedliche Ebenen der Diskussion auseinanderzuhalten.
So wie nicht bestritten wird, dass es Herrscher namens Carolus gab, sondern lediglich ob es so viele über einen dreihundert Jahre lang dauernden Zeitraum gab oder ob nicht mehrere zusammenfallen, geht es auch bei Heraclius und Konstantin nicht darum, zwei Herrscher plump identisch zu setzten oder gar zu eliminieren, sondern auf zwei Ebenen einen Abgleich vorzunehmen – unter der Voraussetzung, dass es die Phantomzeit gibt. Wenn dieser Abgleich möglich ist, ist dies zwar keine Verifikation einer Phantomzeit, aber eben auch keine Falsifikation. Gerade darum geht es aber. Wir möchten sozusagen selber durch geeignete Thesen die Phantomzeittheorie falsifizieren, um sie überhaupt sinnvoll vertreten zu können. Je mehr auf diese Weise gefundenen Indikatoren nicht gegen die Fantomzeittheorie sprechen, umso wahrscheinlicher wird die Fantomzeittheorie. Dazu müssen natürlich sinnvolle Thesen aufgestellt werden. MZ wirft uns nun vor, eben unsinnige Thesen aufzustellen. Das ist sein gutes Recht, bleibt aber fragwürdig, solange er selbst dabei unsere Thesen nicht richtig wiedergibt.
Alle Fantomzeittheoretiker im Umfeld Illigs unterscheiden zwischen vor allem zwei Ebenen der Quellenlage: der urkundenbezogenen und der archäologiebezogene.
Alle Fantomzeittheoretiker im Umfeld Illigs geben der Archäologie den Vorzug in der Beurteilung des Faktischen.
Alle Fantomzeittheoretiker im Umfeld Illigs gehen davon aus, dass Urkunden leichter zu fälschen sind als Gegenstände.
Alle Fantomzeittheoretiker im Umfeld Illigs gehen aber auch davon aus, dass
a) auch archäologische Gegenstände gefälscht worden sein können (Imitationen, etc.)
b) auch archäologische Forschungsergebnisse gefälscht worden sein können;
c) auch archäologische Datierungsmethoden fehlerhaft sein können.
Nun zur vorliegenden Diskussion.
1. Behauptung: "In diesem Forum wird schwerpunktmäßig über astronomische Daten oder ähnliche Herrscherbiografien diskutiert. Handfeste archäologische Funde kommen dabei zu kurz." Dies ist eine stark verzerrend-polemische Darstellung, die dem Umstand nicht Rechnung trägt, dass natürlich auch die Astronomie oder Herrscher archäologische "handfeste" Voraussetzungen hat. So wird hier seit langem eine komputistische Diskussion geführt auf der archäologischen Grundlage von Ostertafeln. Die karolingische Münzgeschichte wurde im Blick auf Heinssohns münzvergleichenden Beobachtungen geführt. Usw. Von daher ist der Vorwurf, die Archäologie würde im Forum zu kurz kommen, unhaltbar, wie sich zeigen wird, auch im Blick auf den eigentlichen Pudels Kern: die römische und byzantinische Münzgeschichte zwischen Konstantin I. und der Heraclischen Dynastie.
2. Behauptung: Es wird über die Identität von Konstantin I. und Heraclius spekuliert. Wer, wo und wie wird über die "archäologische" Identität spekuliert. Es wird zunächst über die urkundenmäßige Erfindung von zusätzlichen Biographien spekuliert, nichts weiter.
3. Behauptung: Es wird über die Möglichkeit, dass Konstantin VII. einen übergroßen Konstantin I. kreiert hätte, spekuliert. MZ tut so, wie wenn wir behaupten würden, es habe keinen römischen Kaiser Konstantin gegeben und die ihnbezüglichen archäologischen Funde seien gefälscht. Wir behaupten dagegen lediglich, es könnte sein, dass bezüglich der urkundenmäßig überlieferten Biographie zum archäologisch gesicherten Bestand eines römischen Kaisers Konstantins von Konstantin VII. und seinen Beratern Weitergehendes dazuerfunden wurde und gegebenenfalls auch durch gefälschte Gegenstände (z.B. Inschriftenimitationen) "bestätigt" wurden, um Konstantin I. eben legendär "größer" erscheinen zu lassen, als er in Wirklichkeit war. Etwas was ja auch den Kern der Fantomzeittheorie bezüglich Karl den Großen ausmacht.
4. Behauptung: "Die Tatsache, dass die Münzfunde Konstantins I. und seiner Familie in die Hunderttausende gehen und deshalb keine Fälschungen sein können, wird einfach übersehen." Dies ist eine Unterstellung, weil von uns nie behauptet wurde, dass die diese Münzen "Fälschungen" seien.
5. Behauptung: "Und dass die Münzen Heraclius’ ikonografisch nicht ins 4. Jahrhundert passen, wird ebenfalls nicht beachtet." Auch das haben wir nicht behauptet.
6. Behauptung: Gerade hier wird dann aber von MZ etwas verknüpft, was nicht zusammengehört. Die von Korth und mir ins Spiel gebrachte These geht ja gerade davon aus, dass zuerst die Zeit zwischen Ost und West falsch verkoppelt wurde, dann Biographien erfunden wurden und im dritten Schritt die Verdopplungen durch archäologisch "handfeste" Fälschungen beglaubigt wurde. Münzgeschichtlich sind für uns daher eben nicht die Münzen der konstantinischen Dynastie gefälscht, sondern die der heraclinischen.
Wenn wir unter dieser Prämisse die "Materialien" von MZ durchgehen, wird die Decke deutlich geringer. Wo und wann wurden denn Münzen von Heraclius und seiner Familie gefunden?
7. Behauptung: "Dass man in den Münzhorten aus dem 4. Jahrhundert keine Münzen des Heraclius findet, braucht nicht besonders hervorgehoben werden. Es ist selbstverständlich." Endlich mal eine Behauptung der wir rundum zustimmen können. Wir haben nie etwas anderes behauptet.
Zu den Materialien bezüglich der Heraclius-Münzen
"Der Schatzfund von Bet She’an (751 Goldmünzen des 7. Jh.)
- Phocas (603-610) mit 95 Münzen,
- Heraclius (610-641) mit 382 Münzen,
- Constans II. (641-668) mit 219 Münzen,
- Konstantin IV. (668-685) mit 55 Münzen."
95+382+219+55=751 Münzen. Das heißt in diesem Schatzfund fanden sich keinerlei andere Münzen.
"Während der Grabungen wurde ein Komplex von Wohnhäusen aus der byzantinischen und Umayyaden-Zeit freigelegt. Er war offensichtlich durch das Erdbeben von 749 zerstört worden. Der Goldhort wurde in der Ecke eines Hofes in einem der Wohnhäuser gefunden, unter dem Fußboden, auf dem sich eine Gruppe von Krügen befand. Er bestand aus 751 Goldmünzen, versteckt in einem kleinen Kochtopf. Obwohl der Topf charakteristisch für die Umayyadenzeit ist, handelt es sich bei allen darin gefundenen Münzen um byzantinische Solidi, die Standardgoldmünze des Byzantinischen Reiches." Soweit so gut. Gerade dershalb könnte es sich auch um Fälschungen handeln. Dies wird von den ach zu handfesten Numismatikern mit einem Trick "ausgeschlossen": "Sie waren in Konstantinopel im 7. Jahrhundert geprägt worden. Die Münzen decken einen Zeitraum von siebzig Jahren von etwa 610 bis 681 ab." 1) Wie bitte kann man feststellen, wann und wo Münzen wirklich geprägt worden sind? 2) Der Zeitraum wird von der traditionellen Chronologie übernommen, die ja gerade durch den Münzfund belegt werden soll. Damit hätten die Fälscher ihr Ziel erreicht. Sie haben nachfolgende Generationen im Glauben bekräftigt, dass es eine Zeit gab, die angeblich durch vier Herrscher abgedeckt wird.
"Der Cuerdale Hoard (1840): ca. 1000 angelsächsische Stücke, ca. 5000 Stücke des Danelaw, ca. 1000 fränkische Stücke, einige frühe skandinavische und ca. 50 kufische Dirhams von der gesamten islamischen Welt, einige osteuropäische Imitate von kufischen Münzen und eine einzige byzantinische Münze des Heraclius/Constantinus" – hört, hört, aber kein Problem für die Fälschungsthese, da der Schatz in keinem Fall vor 905, vermuteterweisel zwischen 905 und 910 vergraben wurde.
DB ergänzt: "Die Münzen des Heraclius im Awarenreich enden abrupt 626 und sind größtenteils Streufunde. … Eine größere Anzahl von Solidi des Heraclius wurde in Nordwestdeutschland gefunden." – Hört, hört. Quelle?
Mehr haben wir von MZ bezüglich der Münzen des Heraclius und seiner Familie bislang nicht gehört. Daher nun einige Numismatiker-Stimmen:
Marcin WołoszynInstitute of Archaeology ; Rzeszów University ; Rzeszów ; Poland ; Institute of Archaeologyand Ethnology: "Mit den Münzen von Heraclius geht der Zufluss von frühbyzantinishen Prägungen aufpolnische Gebiete zu Ende. Aus dem 8 Jh. stammen zwei byzantinische Münzen. GrössereMengen von byzantinischen Emissionen erreichen unser Land erst im 10.-11. Jh." In Polen ist also mit Heraclius Ende der Fahnenstange. Daher müssten die Funde von Heraclius-Münzen einzeln überprüft werden, in welchen Horten sie wirklich auftauchen.
Dazu heißt es: "Leider nur für zwei Münzenverfügen wir über sichere Informationen über Umstände ihrer Entdeckung – es handelt sichhier um Emissionen des Heraclius (Grodzisko Dolne ; Szadzko)." – Immerhin!
Weiter: "Der Follis von Heraclius von Grodzisko Dolne darf natürlich nicht mit den Bajan und seinen Nachfolgern gezahlten Tributen in Verbindung gebracht werden. Generell bewirkte die aggresive Politik der Awaren den Zufluss von Münzen an die mittlere Donau im ersten Viertel des 7. Jh., woher sie auch auf das Gebiet nördlich vom Kapratenbogen gelangt sind. Ein höchst interessantes Fundstück ist die letzte von den Münzen des Heraclius – das in Szadzko aufgedeckte Hexagramm. Der Fund von Szadzko scheint das am weitesten nach Norden vorgerückte Fundstück dieser Art zu sein!"
http://mek.oszk.hu/02100/02113/html/34.html: "Grabgruppe von Érmihályfalva, dem Reitergrab eines Goldschmiedes von Fönlak, dem durch eine vor 625 geprägte Goldmünze des Heraclius datierten awarischen Reitergrab mit Helm, Panzer und Schwert von Deutsch-St.-Peter"
The hoard of Heraclius solidi from Zrmanja:
Byzantinische Zeitschrift 1999: "Cette prétendue conclusion est corroborée par la découverte du trésor de Zrmanja (1938) comprenant des imitations de solidi d'Héraclius".
Α hoard of 169 folles in the Cyprus Museum acquired in 1944, mostly coins of
Heraclius and Constans II.
Überhaupt fällt auf, dass gerade von Heraclius-Follis häufige Imitationen zu finden sind. Weiter spricht die Numismatik bezüglich Heraclius von eine Münzreform, ja sogar Münz-"Revolution" (629). Eine radikale Reduzierung der Münzämter und Konzentrierung auf Konstantinopel. Seltsam nur, dass von dieser wiederum auf der Urkundenebene überhaupt nichts bekannt ist.
Ich lasse mich gerne überzeugen, aber im Moment ist mir das einfach noch zu wenig. Wenige große, aber in der Zusammensetzung enge Hortfunde belegen die traditionelle Chronologie und mit der traditionellen Chronologie werden breite Streufunde oder Hortfunde mit byzantinischen Einzelmünzen gerade mit Hilfe der byzantinischen Münzen datiert bzw. interpretiert, obwohl diese vielfach erst viel später vergraben worden sind.
Wenn also "handfest", dann bitte auch konstant und nicht nur sporadisch.
http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2006/2006-04-13.html : Rezension zu Olivier Callot, Salamine de Chypre XVI: Les Monnaies. Fouilles de la ville 1964-1974. Mission Archéologique de Salamine de Chypre. Paris: De Boccard, 2004. Pp. 219. ISBN 2-903264-95-3. €45.00.
Fundmünzen von Salamis-Constantia auf Zypern
"Die nun erschienene Arbeit von O. Callot umfaßt insgesamt 1.813 Münzen, die bei den französischen Grabungen gefunden wurden. … Von der Gesamtmenge der Münzen sind 810 Stück als byzantinisch bestimmbar. "
griechisch (klassisch+hellenistisch): 87 + 75=162
römisch: 172+264=436
byzantinisch: 810+213=1023
omayyadisch: 24+0=24
lateinisch-christlich: 18+0=18
unbestimmbar: 150
"Der Großteil der byzantinischen Münzen (308 Stück) stammt aus der von schweren Bedrohungen und Umwälzungen geprägten Regierungszeit des Heraclius (610-641), als Zypern bedeutender Stützpunkt und Zufluchtsraum in den Auseinandersetzungen mit den Persern und später mit den Arabern wurde. Die arabischen Überfälle und die zeitweilige Eroberung zwischen 647 und 680, sowie die daran anschließenden, wechselhaften Herrschaften finden im Münzspektrum nur geringen Niederschlag, so daß für die gesamte Zeit, aus der noch Fundmünzen vorliegen, von einem Versiegen der auf Münzgeld basierenden Wirtschaftsweise auszugehen ist."
Das zweite Mal ist also mit Heraclius "alles aus" – der Fund von Bet She’an wird dadurch immer singulärer und spektakulärer.
Wikipedia: Neapolis in Samaria: "Frühbyzantinische Münzen des Kaisers Heraklios mit der Beischrift N oder NEA werden einer Münze in Samaria zugeschrieben. Da es mehrere Städte mit dem Namen Neapolis gibt, u.a. auf Zypern, ist die Zuweisung jedoch nicht völlig gesichert. Literatur: P. J. Donald: The Neapolis Coins of Heraclius. in: Spink Numismatic Circular. Spink & Son, London 94.1986, 116. ISSN 0029-6023"