Der schillernde Berliner Publizist Horst Lummert, Antifaschist, Demokrat und Anarchist (oder auch nicht), Sohn eines national-sozialistischen Vaters und einer jüdischen Mutter, gab von 1973 bis 1999 im Eigenverlag die Zeitschrift kuckuck heraus. Die Zeitschrift mit dem Untertitel Kunst Literatur Kritik erschien vierteljährlich in kleiner Auflage. Ihr

„ungeschriebener Grundsatz waren die täglichen Begleitworte der um 12 Uhr vom Schöneberger Rathausturm mahnenden Freiheitsglocke: Ich glaube an die Unantastbarkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, daß jedem Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten möge.“

Anfang der achtziger Jahre war Lummert dank Heinsohns Freibeuter-Artikel auf Immanuel Velikovsky aufmerksam geworden. Im kuckuck wurde ein Brief von Einstein an Velikovsky abgedruckt, Christoph Marx durfte einige Beiträge zum Thema schreiben, mehrere Briefwechsel von Marx über Velikovsky wurden veröffentlicht – darunter die Korrespondenz zwischen Marx und Lummert selbst sowie auch die zwischen Marx und dem anarchistischen Philosophen Paul Feyerabend (der seinen Anarchismus ad absurdum führte, indem er gegen Marx vor Gericht zog).

Sämtliche Texte sind inzwischen im Netz nachzulesen. Lehrreich aus unserer Sicht ist Marx’ Artikel Velikovsky im deutschen Sprachraum über die frühe Velikovsky-Rezeption nach dem Erscheinen von Welten im Zusammenstoß Anfang der 50-er Jahre. Obwohl das Buch zahlreiche Leser fand, beendete der (Kohlhammer) Verlag bald darauf die Zusammenarbeit mit Velikovsky – auf Druck kirchlich-akademischer (Tübinger) Kreise, wie damals vermutet wurde. Eine zweite Welle setzte 1978 ein, als der Umschau Verlag Welten im Zusammenstoß neu herausbrachte. Es war dann der oben genannte Freibeuter-Artikel von Gunnar Heinsohn aus dem Jahr 1979, der die dank GRMNG und Zeitensprünge bis heute anhaltende Velikovsky-Renaissance einleitete.

Marx macht klar, dass die Widerstände gegen Velikovsky im deutschen Sprachbereich nicht geringer waren als in den USA. Wie Shapley dort gebarte sich Prof. Dr. Winfried Petri vom Institut für Geschichte der Naturwissenschaften der Universität München hier, als er 1978 wegen der Neuauflage von Welten im Zusammenstoß die langjährige Zusammenarbeit mit dem Umschau Verlag aufkündigte. Der Würzburger Ägyptologe Beinlich bedankte sich für die Zusendung von Die Seevölker mit den Worten:

“Haben Sie vielen Dank für die Zusendung des Romans von I. Velikovsky Die Seevölker. Ich muß gestehen, daß man nicht jeden Tag so viel blühenden Unsinn in solch komprimierter Form auf den Tisch bekommt.

Es ist mir unverständlich, wie ein auch nur halbwegs denkender Mensch auf die Scharlatanerien von Leuten wie Velikovsky, Vandenberg, Däniken (sic!) und anderen hereinfallen kann.

Ich halte es für eine Frechheit, diesem antiwissenschaftlichen Geschwätz auch noch ein Mäntelchen wissenschaftlichen Gepräges umzuhängen und empfehle Ihnen eine Umbenennung in Podium Akademische Frechheit.”

(Noch heute findet sich in den Regalen der Bibliothek des Lehrstuhls für Ägyptologie in Würzburg kein Buch von Velikovsky – von Heinsohns und Illigs Pharaonenbuch ganz zu schweigen.)

Mehrfach wird in den Briefwechseln wie auch in weiteren Beiträgen von Lummert auf Heinsohn Bezug genommen. Ist Lummert Heinsohn gegenüber zunächst sehr kritisch und misstrauisch (er mag Heinsohns Ansichten über Erziehung nicht, deutet das Hexenbuch als Rechtfertigung der Shoah durch die jüdisch motivierte Hexenvernichtung, unterstellt Heinsohn Antijudaismus und wirft ihm vor, die Grenzen zwischen Wissenschaft und Mythologie zu verwischen), so urteilt er später toleranter und hält Heinsohn gar für lernfähig.

Lummerts Auseinandersetzung mit Velikovsky, Heinsohn und Marx bleibt am Ende eine Episode. Allerdings muss sie einen gewissen Eindruck hinterlassen haben, denn noch 2001 erinnert er sich an Marx’ Begriff des „Erregungshintergrundes“. Aber inhaltlich hat er diese Spur nicht mehr verfolgt. Zu sehr war ihm Geschichtsrekonstruktion jeder Art als Geschichtsrevisionismus und Relativierung der NS-Verbrechen verdächtig. So blieb es anderen überlassen, auf dem Weg der GRMNG in Velikovskys Fußstapfen zu treten und dessen chronologiekritischen Ansatz weiter zu führen, bis schließlich Illig und Niemitz erkannten, dass er sich auch auf das dunkle Frühmittelalter anwenden ließ.