Ein Anstoß von Henning Heinsohn, weitererforscht von Gerhard Anwander, geschrieben von Heribert Illig (aus Zeitensprünge 2/2004)

Das schwedische Königreich wird derzeit von Carl XVI. Gustav und seiner allseits geliebten Gemahlin Silvia regiert. Die Wurzeln dieser Monarchie reichen jedoch weiter zurück, als selbst die Schweden denken. Wenn wir nur die Karle beachten, so begegnen wir ihnen bis zurück ins 12. Jh.

Karl XVI. Gustav (Bernadotte), 1973 –
Karl XV. (Bernadotte), 1859 – 1872
Karl XIV. (Bernadotte), 1818 – 1844
Karl XIII. (Hollstein-Gottorp), 1809 – 1818
Karl XII. (Wasa), 1697 – 1718
Karl XI. (Wasa), 1660 – 1697
Karl X. Gustav (Wasa), 1654 – 1660
Karl IX. (Wasa), 1604 – 1611
Karl VIII. Knutsson, 1448 – 1457, 1464 – 1465 und 1467 – 1470
Karl VII. Severkersson, 1156/60 – 1167

Davor gab es noch zwei Geschlechter, bei denen exakte Jahreszahlen sich mählich verlieren.

Stenkil-Geschlecht:

Inge II., 1118 – 1130
Philipp, 1112 – 1118
Blot Sven, um 1080/90
Halstan, um 1080
Inge I. um 1080 – um 1112
Stenkil, um 1060 – um 1066

Ynglinge:

Emund III. Slemme (= d. Schlimme), um 1050 – 1056
Anund Jakob, um 1021/22 – um 1050
Olaf II. Schoßkönig, um 994 – 10121/22
Erich VII. d. Siegreiche, um 950 – um 994
Björn der Alte um 900 – um 950.

Verwunderlicherweise werden selbst im ältesten Geschlecht bereits Ordnungszahlen notwendig, die im Falle von Erich dem Siegreichen je nach Tradition mit VI. oder VII. bereits hoch ausfallen. Der gesunde Menschenverstand würde davor weitere Könige mit den Namen Erich, E(d)mund oder Olaf vermuten. Das trifft selbstredend auch auf die Karle zu, denn ihr erster Vertreter trägt im 12. Jh. bereits die Ordnungszahl VII. Wo finden wir all diese Vorgänger?

Henning Heinsohn hat das Rätsel mitsamt einer Lösung entdeckt, indem er den alten Meyers von 1906 [Bd. 11] aufgeschlagen und unter dem Stichwort Karl eine knappe, aber deutliche Auskunft gefunden hat:

“[Könige von Schweden.] 61) K[arl] VII. (eigentlich K[arl] I., da die ersten sechs Karl eine Erfindung des schwedischen Chronisten Johannes Magni sind), gest. 1167 auf der Insel Wisingsö (SmDland), seit 1156 Nachfolger seines Vaters Sverker in Götaland, 1161 auch zum König in Svealand gewählt, errichtete 1164 das Erzbistum Upsala. Sein Nebenbuhler Knut Erikson, Sohn Erichs des Heiligen, ermordete ihn. Sein Königssiegel ist das älteste in Schweden noch vorhandene.”

Im Meyers von 1939 hat sich der Eintrag weitgehend abgeschliffen:

“Karl VII. Sverkersson (die ersten 6 K[arl] sind sagenhaft)”.

Da sind die Gelehrten also einem Schwindler aufgesessen, den sie so spät entlarvt haben, dass die Ordnungszahlen aller späteren Könige gleichen Namens nicht mehr umgestellt werden konnten. Wer war dieser ominöse Johannes Magnus, und wann trieb er sein Unwesen?

Es handelt sich bei ihm um einen römisch-katholischen Erzbischof und Historiker, der von 1488 bis 1544 gelebt hat. In Schweden geboren, wurde er zu einem der besten Gelehrten seiner Zeit. Doch als Konsequenz der Reformation musste er ins Exil. Papst Hadrian VI., sein früherer Lehrer, machte ihn zum Emissär für Skandinavien. Johannes Magnus, der eigentlich Johannes Store (= magnum, robustum) hieß, starb schließlich in Rom [E.B. online].

Friedrich Rühs hat in seiner Welthistorie von 1805 für den Bd. 63 das Vorwort “Über die Quellen und Hülfsmittel der schwedischen Geschichte” verfasst. Dort berichtet er auf S. 14, dass Johannes Store “in seiner geschäfftlosen Einsamkeit den Beschluß” fasste,

“eine Geschichte zu schreiben, um in allen Ländern des Erdkreises den Ruhm seines Vaterlandes glänzend zu machen. Er selbst führte im 8.ten Capitel der Vorrede, S. 17, seine Quellen an; er erwähnt alte, in Steinen und Felsen geschnittene Gesänge, nicht wenige sehr alte Bücher, welche auf Glauben der upsalischen Priester in altgothischer Sprache und mit altgothischen Schriftzeichen aufgeschrieben sind und hier und dort zerstreut gefunden werden; er nennt auch den Erich von Upsala, den Saxo, und andere alte ausländische Schriftsteller. Seine Hauptquelle aber war, besonders in der ältern Geschichte, die bis auf Olof den Schooßkönig 557 gedruckte Folioseiten einnimmt, – sein Gehirn. Von ihm stammt die löbliche Gewohnheit, die schwedischen Könige vom Magog abzuleiten, eine Zeitrechnung, die bis ins Jahr 1750 in historischen Schriften, und noch im Jahr 1803 im schwedisch-pommerschen Staatskalender gefunden wird. Die erste sehr seltne Ausgabe seines Werks, Rom 1554, befindet sich in der academischen Bibliothek zu Greifwald, und ist von mir benutzt.”

Friedrich Rühs (1781–1820) war ab 1802 Privatdozent in Greifswald und damit schwedischer Untertan von König Gustav IV. Adolf, ab 1810 dann Professor in Berlin und später sogar Historiograph des Preußenstaates. Nachdem Greifswald 1815 preußisch geworden war, schrieb er sehr kritisch über die Schwedenzeit, gehörte er doch mittlerweile zum Kreis der Patrioten um Ernst Moritz Arndt und Friedrich Schleiermacher. Als Herausgeber der Edda, dessen Auswahl an Sagen sich bis heute behauptet hat [Krömmelbein] äußerte er sich noch vor den Gebrüdern Grimm über nordische Poesie und Mythologie, woraus der so gen. Edda-Streit entstand [F.R.].

Rühs hat also bereits erkannt, dass hier ein fruchtbarer Geist freien Platz innerhalb der Geschichte seines Landes mit fiktiven Namen und Taten gefüllt und dabei genug an Phantasie entwickelt hat, um 600 Seiten zu füllen. Das aufzuspüren war für ihn sicherlich nicht allzu schwer, hatte er doch bei August Ludwig von Schlözer in Göttingen studiert, bei jenem Mann, der schon den ältesten polnischen König angezweifelt hat (s.u.) [F.R.]. Das hat jedoch Rühs nicht gehindert, noch einmal die Fiktionen getreulich aufzulisten. Das liest sich dann fürs 8. und 9. Jh. ungefähr so:

28 Harald Hildetan, Iwans Enkel 38 Erik IV.
29 Randver, Halbbruder d. Harald 39 Björn III.
30 Sigurd Ring 40 Edmund I.
31 Eisten Beli, Haralds Sohn 41 Erik V.
32 Ragnar Lodbrok, Sigurds Sohn 42 Olof I.
33 Björn I. Eisenseits 43 Björn IV.
34 Erik II. 44 Ring
35 Refil 45 Olof II.
36 Erik III. 46 Edmund II. der Schlimme
37 Björn II. 47 Erik VI. der Siegreiche

Wir vermissen jedoch die uns besonders interessierenden Karle I bis VI. Da Rühs erst ab dem 6. Jh. Herrschernamen berichtet, etwa Adil, Eisten und Yngwer als die Nrn. 22–24 im 6. Jh., so könnte er das erste Halbdutzend Karle allenfalls als frühe Verbindungsglieder zwischen Magog und Adil aufgestellt haben.

Doch die selbe Weltgeschichte, für die Rühs geschrieben hat, berichtet uns noch eine weitere Königsliste für die Zeiten vor dem 10. Jh. Wir hören deshalb nun auf Johann Salomo Semler, der im 30. Band [1766, §.185, S. 249f] bereits 30 Jahre früher Folgendes zusammengestellt hat:

“Die alte Historie von Schweden ist mit so vielen Fabeln, Ungereimtheiten und Zeitveränderungen vermenget, daß sie die beste Critik nicht entwickeln kan. Da indes die algemeinen Gesetze der Historie, die vom Exempel der besten Scribenten genommen worden, insonderheit aber unser Plan es erfordert, dem Ursprung jeglicher Nation so nahe zu kommen, als es die Umstände verstatten; so würden wir gar keine Entschuldigung verdienen, wenn wir den Lesern nicht mit einer Nachricht von den ersten schwedischen Monarchen dieneten, und eine solche Folge von Königen vorlegeten, wie wir sie in den noch vorhandenen Documenten finden. Johannes Magnus, Joh. Gothus, Loccenius, Schwaning, Jacob Gislon, Saxo Grammaticus, Puffendorf und viele andere Schriftsteller haben ordentliche Verzeichnisse von Königen mitgetheilet, die in den dunkelsten Zeiten regieret. Das sie aber unter sich selbst nicht einig sind, und sie ihr Zeugnis auf alte Legenden und Denkmale gründen, die ein jeglicher nach seinem Begrif ausgeleget, so müssen sie mit Vorsicht und mit einem gewissen Mistrauen gelesen werden. Der eine setzt zum Exempel den Erich an die Spitze der Monarchen [Fußnote: Loccen]; ein anderer gehet bis auf vier Könige weiter zurück, und macht den Erich zum fünften schwedischen Fürsten [Fn: Rudbeck. Atlant. tom. 2.]; ein dritter waget sich um etliche Jahrhunderte tiefer in die Dunkelheit, und fänget die Reihe der Könige mit dem Magog, dem Sohn Japhets und Enkel des Noah an [Fn: Schwaning Chron. Dan. p. 2.]. Mit einem Worte, sie sind unter sich weder in Ansehung des Ursprungs der Monarchie, noch auch in Ansehung der Folge der Fürsten einig. Da es nun unmöglich ist, diese Verschiedenheiten aus einander zu setzen, so werden wir uns an die bewährtesten Geschichtsschreiber halten, und dieselben, so oft es die Gelegenheit gibt, mit andern vergleichen, und uns alle Mühe geben, aus der Widerwärtigkeit der Meinungen die Wahrheit hervorzuziehen.”

Gerade diese “bewährtesten Geschichtsschreiber” kommen darin überein, dass das alte Skandinavien anfänglich von mehreren Richtern regiert wurde, die durch die Stimme des Volkes auf Zeit gewählt worden waren. Dementsprechend war das Land geteilt. Nur unter Erich oder Suenon war die Teilung überwunden. Nach diesem Erich treten dann auf [ebd., 251]: Udo, Alo, Othen, Carl (der erste seines Namens), Biorno, dann Gylfo, Humulf (Humble), Thor, Urber und Osten.

“Der erste Fürst aber, von dem wir eine Art Historie haben, ist Othen oder Odin, der aus Asien nach Scandinavien gekommen seyn soll, wo er auf den Thron von Schweden gesetzet worden. Es wird ihm eine große Geschicklichkeit in der Magie zugeschrieben, und Puffendorf macht ihn zum größten Helden seiner Zeit. Nachdem er durch den Pompejus aus Asien vertrieben worden, so öfnete er sich den Weg nach Scandinavien mit dem Schwert, besiegete die Sachsen, schlug den dänischen König Lother zu verschiedenenmalen, und that verschiedene Feldzüge, davon aber die dänischen Geschichtsschreiber und Loccenius nichts melden. Es zeiget sich hier ein merklicher Fehler in der Zeitrechnung, den wir zu berichtigen unsere Zeit vergeblich anwenden würden.”

Es folgen weitere Namen, die wir der Kuriosität halber [257] wiedergeben. Niord, Frotho, Sigtrug, Suibdager und Asmud, Uffo, Hunding, Regner, Holward (dieser bekriegte ausnahmsweise einmal die Russen, Esthländer, Finländer, Suabier und Curländer), Hother, Roric (Roderich), Attillus, Hogmor und Hogrin, Alarich, Erich und Halden. Es geht weiter mit Siward, Erich, Halden, Unguin, Regnold, Asmund (Hamund) und Hacquin, Egil Aunif, Gothar, Adel, Ostan, Inguar, Asmund, Siward, Hirot, Ingel, Olaus Tra(e)telga und Carl. Mit ihm tritt uns erst der zweite Karl entgegen, der aber offenbar nur regiert, um erschlagen zu werden.

“Des Königs Tod, die Flucht des vermuthlichen Erben und die Streifereien eines mächtigen Feindes trugen sehr vieles bey, den Carl, einen vornehmen schwedischen Herrn auf den Thron zu heben, welche Ehre er aber nur kurze Zeit genos. Dem Regner, Könige von Dänemark, war der Verlust eines so schätzbaren Königreichs unerträglich. Er forderte Carl zu einem Zweikampf heraus, und erlegte ihn; und durch diesen Sieg bemächtigte er sich der Krone Schweden, die er seinem Sohne Bera oder Biorno aufsetzte, den Loccenius den dritten dieses Namens und den ersten christlichen König von Schweden genennet hat.” [ebd., 267]

“Alle Geschichtsschreiber, teutsche, schwedische und französische kommen darin überein, daß unter der Regierung des Biorno das Evangelium in Schweden von einem frommen Mönch Ansgarius geprediget worden, den Ludwig der Fromme, oder, wie Loccenius will, Carl der Grosse hierher geschicket. Nach Puffendorfs Bericht lief die erste Botschaft unglücklich ab” [ebd., 268].

Am großen Karl vorbei führt die Königsliste weiter über Asmund, Olaus Trätelga zu Ingo und Erich Waderhead. Dieser fünfte christliche Herrscher (ab 831) wird auch Erich Weatherhead genannt [Semler 1766, 269] :

“Alles, was von diesem Herrn gemeldet wird, klingt sehr fabelhaft. Er war ein großer Zauberer, und erhielt seinen Beinamen von dem erstaunlichen Einflus, der er über das Wetter hatte, wenn er nur seinen Hut umkehrete.”

Die Regentenliste führt weiter zu Erich Seghersell, der um 940 gestorben sein soll. Dessen Sohn Erich Stenchil Milde (oder der glücklich Geborne) führt nun neuerlich und diesmal nachdrücklich das Christentum ein, indem er vom Hamburger Bischof zur Missionierung Adelward und Stephanus kommen lässt. Die Vornehmen des Landes lassen sich ebenfalls taufen, und Erich der Milde ließ den “schönen heidnischen Tempel zu Upsal niederreissen, die Götzenbilder zerbrechen und die Opfer bey härtester Leibesstrafe verbieten” [ebd., 270].

Nun wäre Björn der Alte zu erwarten, der heute die Ahnengalerie anführt. Stattdessen treten Olaus Scotkonug, Asmund Kohlbrenner, Asmund Schlemme, Stenchil, Ingo und schließlich Halstan auf, der 1064 gestorben sein soll und mit der ersten Jahreszahl ausgezeichnet worden ist.

Wenn wir Semlers Kuriositätenkabinett Revue passieren lassen, so können wir nur die Phantasie der früheren Skribenten bewundern. Sie rücken Erfindung und Faktum auf Hunderten von Seiten dicht zueinander, lassen zwei Karle auftauchen und damit viel zu wenige, sie projizieren die Christianisierung in die Zeit um 800 zurück und stellen klar, dass Geschichte und erfundene Geschichten wild durcheinander gehen. Insofern ist der Mut der Aufklärer zu bewundern, die ab circa 1750 zur Rodung in dieses Dickicht vorgedrungen sind.

Der Vorgang ist für uns nicht mehr überraschend. Gunnar Heinsohn hat letztes Jahr Folgendes herausgefunden: Die Anfänge der polnischen Monarchie, sprich die ersten 13 Könige, sind Erfindung. Nachdem schon August Ludwig Schlözer im Jahre 1766 den ersten König, Lech I., als “Hirngespinst” bezeichnet, erteilt König Stanislaw August Ponatowski (1764–1795) den Auftrag, die Wurzeln der Monarchie abzusichern. Der damit beauftragte Adam Naruszewicz will aber keine Märchen bestätigen, sondern eine wissenschaftlichen Standards gehorchende Analyse schreiben. Und so befördert er 1780 die ersten dreizehn Könige ins Reich der Fabeln und Märchen.

Anton Friedrich Büsching – erster Streicher polnischer Könige

Wir können mittlerweile die Nichtung der ersten polnischen Könige sogar noch weiter zurückverfolgen. Der schon genannte Semler schreibt nämlich im 29. Band dieser rätselhaften Weltgeschichte (rätselhaft deshalb, weil immer von Gelehrten aus Engeland die Rede ist, die diese Bände geschrieben hätten, doch ausschließlich deutsche Bearbeiter und in Wahrheit damit vielleicht die Urheber genannt werden) über Polen und bedauert, dass hier der Historiker sogar von den Gesängen und Fabeln der Barden im Stich gelassen werde:

“Polen fehlt es sogar an diesem schwachen Beistande; denn es war in diesem Land nicht üblich, herum irrende Meistersänger zu halten, und wir haben lediglich den benachbarten Staaten die unvolkommenen Nachrichten von der Folge der ersten polnischen Monarchen zu danken” [Semler 1765, 523].

In einer Fußnote teilt er [1765, 524] einen bekannten und doch überraschenden Befund mit:

“Der gelehrte teutsche Professor Büsching hat uns in seinem neuen geographischen System, welches er vor einiger Zeit herausgegeben, eine etwas anders lautende Nachricht vom Ursprung der Polaken mitgetheilet, und hat alle polnische Herzöge vor dem Piastus als fabelhaft verworfen, ob man wohl nicht ersiehet, aus was für einem Grunde er dieses gethan.”

Mit Anton Friedrich (Friderich) Büsching begegnen wir einem weiteren Aufklärer (1724–1793), den Schlözer “einen der wichtigsten Männer des Jahrhunderts” genannt hat [Kirchner]. Er hat mehrere Werke über Geographie geschrieben. Das hier relevante dürfte sein: “Vorbereitung zur gruendlichen und nuetzlichen Kenntniß der geographischen Beschaffenheit und Staatsverfassung der europaeischen Reiche und Republiken”, Wien 1764.

Mit diesem Editionsdatum liegt Büsching deutlich vor Adam Naruszewicz, der die Bände seiner Polengeschichte ab 1780 veröffentlicht hat, und auch noch vor Schlözer, der sich 1766 gegen das “Hirngespinst” Lech I. ausgesprochen hat.

Damit wird für uns ein weites Arbeitsgebiet sichtbar, das weitgehend vernachlässigt ist: Die geschichtskritischen Forschungen der Aufklärer des 18. Jahrhunderts.

Fazit für Schwedens Regenten

Das Wissen um die Märchenkönige ist in Polen so gründlich ausradiert worden, dass heute sich kaum einer mehr erinnert, dass es ihrer früher mehr gegeben hat. Ähnlich scheint es in Schweden zu sein. Auch dort hat die Aufklärung reinen Tisch mit Fiktivherrschern gemacht: Ihrer 42 sind bei Rühs dem nüchternen Verstand zum Opfer gefallen. Und wir haben gesehen, dass Rühs gegen eine Art Hydra kämpfen musste: Jeder Historiograph entwickelte seine eigene Königsliste, wie dies etwa Semler getan hat, die nur einen ganz vagen und einen allzu rasch erledigten Karl enthält. Wir können deshalb davon ausgehen, dass auch Johannes Magnus eine eigene Königsliste gehabt hat, in der er großen Wert auf stattliche Karle gelegt hat, unbeirrt von anderen Schriftstellern.

Im Lichte dieser Erkenntnis ist es natürlich bedauerlich, dass die Aufklärung nicht auf Europas Mitte, Westen und Süden übergegriffen hat. Dann wäre auch hier das Phantom “Karl” so gründlich ausradiert, dass es von niemand mehr erinnert würde. So aber bleiben uns die widersinnigen fränkischen Karle, und wer sie ‘frevelnd’ in Frage stellt, dessen Gedanken werden als “irrsinnig” bezeichnet – so jüngst Prof. Dr. Karlheinz Blaschke [2004].

Zitierte Literatur

Blaschke, Karlheinz (2004): Über Wahrheit und Spekulationen. Ein Leserbrief; in: Der Sonntag, Nr. 16/2004 vom 18. April
E.B. = Encycopaedia Britannica Online -> Magnus, Johannes
F.R. = Die Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin. Gegründet in Berlin am 4. November 1809: Friedrich Rühs; http://www.perce.de/gg/r/ruehs.phtml
Heinsohn, Gunnar (2003): Die Streichung der polnischen ‘Karolinger’. Adam Naruszewiczs bereits 1780 erfolgte Eliminierung der lechiadischen und lescidischen Könige aus Polens Frühmittelalter; in: ZS 15 (1) 137-149
Kirchner, Rudolf (o.J.): “Einer der wichtigsten Männer des Jahrhunderts” http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_12/text14.htm
Krömmelbein, Thomas (1993): Rezension. Arthur Häny, Herausgeber und Übersetzer. Snorri Sturluson, ‘Prosa-Edda’: Altisländische Göttergeschichten; unter http://userpage.fu-berlin.de/~alvismal/2arthur.pdf
Matz, Klaus-Jürgen (52001): Wer regierte wann?; München
Meyers Großes Konversations-Lexikon in 20 Bänden (61905-1909); Leipzig
Meyers Lexikon (81939), sechster Band; Leipzig
Rühs, Friedrich D. (1803): Über die Quellen und Hülfsmittel der schwedischen Geschichte” als Vorwort zu Band 63 seiner Welthistorie; Halle
Semler, Johann Salomo (Hg., 1765): Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie die in Engeland durch eine Geselschaft von Gelehrten ausgefertigt worden. Dreißigster Theil. Unter der Aufsicht und mit einer Vorrede herausgegeben von J.S.S.; Halle [= Polen]
– (Hg., 1766): Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie die in Engeland durch eine Geselschaft von Gelehrten ausgefertigt worden. Neunundzwanzigster Theil. Unter der Aufsicht und mit einer Vorrede herausgegeben von J.S.S.; Halle [= Schweden]