Vom Umgang mit antiken Finsternisberichten ohne die Prämisse der traditionellen Mittelalterchronologie

von Jan Beaufort

Im Gästebuch der Seite Radikalkritik von Hermann Detering führt der Leser Dr. Wirth gegen die Fantomzeitthese ein Argument von Franz Krojer ins Feld. Weil das Gästebuch einer Webseite, die ganz anderen Themen gewidmet ist, für die hier zu führende Diskussion nicht der geeignete Ort ist, beantworte ich den Einwand an dieser Stelle.

Wirth schreibt:

ad Dr. Beaufort: Ohne mich in die ganze Problematik allzu tief einlassen zu wollen, stelle ich doch fest, daß die von Ihnen verlinkte Beantwortung (recte: der Versuch der Wiederlegung) von Krojers Thesen sich zwar auf sein Werk “Die Präzision der Präzession” bezieht (auf das ich mich meinerseits nicht bezogen habe), dafür aber auf einen sehr entscheidenden Passus des von mir zitierten Textes nicht eingeht, den ich kurz zitieren möchte: “Auch die von Theon von Alexandria überlieferte Sonnenfinsternis vom 16. Juni 364 n. Chr. ist zu detailliert beschrieben, als dass sie beliebig verschoben werden könnte. (Steele, Seite 103 f.) Theon berichtet, dass der Beginn und das Ende der Finsternis zwischen 14,83h und 16,50h lagen, die Finsternis somit 1,67h dauerte, während heutige Rückrechnungen zeigen, dass die Finsternis zwischen 15,25h und und 16,99h stattfand, also 1,74h dauerte. Die Kontaktzeiten zwischen “beobachtet” und “berechnet” differieren zwar um ca. eine halbe Stunde und könnten auf “falsch kalibrierte Uhren” zurückzuführen sein, aber die Zeitdifferenzen differieren nur um 1,74h-1,67h=0,07h bzw. 4 Minuten, was selbst eine spätere Berechnung, sofern sie nicht aus dem 20. Jahrhundert stammte, ausschließt.” Ich bin nun selbst keineswegs Astronom, aber soweit kenne ich mich mit den Gesetzen der Naturwissenschaften doch aus, daß ich dieses Argument als prinzipiell durchaus schlüssig bzw. ebenso schlüssig widerlegbar ansehe. Nun, die eindeutige Widerlegung, so sie möglich ist, wird nicht auf sich warten lassen, denke ich …

Zu diesem Einwand ist viel zu sagen. Da er ein sozusagen „typisches” Bedenken gegen Illig formuliert, das heißt einer Argumentationsstrategie folgt, die häufig von Fantomzeitskeptikern gewählt wird, soll er hier generell und exemplarisch beantwortet werden, weshalb die Antwort etwas länger ausfällt:

1. Zunächst einmal fällt auf, dass Dr. Wirth von “Widerlegungen” spricht, die “schlüssig” und “eindeutig” sein sollen, weil wir uns im Bereich der Astronomie bewegen, wo die “Gesetze der Naturwissenschaften” gelten. Wirth übernimmt damit die Sprache von Franz Krojer, der seinen oben zitierten Beitrag “Wie man mit Finsternissen Illig einfach widerlegt” getitelt hatte. Dazu ist allgemein zu bemerken, dass sich eine Diskussion über Theon von Alexandria nicht an erster Stelle im naturwissenschaftlichen, sondern im historischen Bereich bewegt. Theon war ein antiker Astronom und Mathematiker und lebte von ca. 335 bis ca. 405. Er gilt als letzter bekannter Bibliothekar der Bibliothek von Alexandria. Er schrieb unter anderem zwei (teilweise erhaltene) Kommentare zu Ptolemäus’ Almagest. Vom früheren der beiden Kommentare stammt die älteste Handschrift aus dem 9. Jahrhundert (O’Connor/Robertson). Über sein Leben wissen wir ein wenig durch die Suda, ein umfangreiches, im 10. Jahrhundert verfasstes byzantinisches Lexikon. Es geht hier also um eine Frage der historischen Astronomie. Das bedeutet nicht, dass keine “schlüssigen” Bestätigungen oder Widerlegungen möglich wären. “Eindeutig” ist im Bereich der Geschichtswissenschaft aber kaum etwas, historische Ereignisse und Gegebenheiten sind gewöhnlich aus mehreren Perspektiven deutbar.

2. Weiter ist festzuhalten, dass von einer “Widerlegung” der Illig-These erst dann die Rede sein kann, wenn alternative Deutungen, die den betreffenden Sachverhalt in Einklang mit der Fantomzeitthese bringen würden, ausgeschlossen werden können. Eine Alternative im speziellen Fall der Theon-Finsternis wäre etwa die Möglichkeit, dass 297 Jahre nach der von Theon beobachteten Sonnenfinsternis ebenfalls eine passende Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Eine andere Möglichkeit wäre eine vom Erfinder der Fantomzeit vorgenommene Umdatierung der Person des Theon um 297 Jahre. (Siehe unten Punkt 8. In einer ersten Erwiderung auf Wirth im Detering-Gästebuch hatte ich auf den ZS-Beitrag Das Scheitern der Archäoastronomie hingewiesen. Dort greife ich Krojers – von ihm selbst ohne Begründung zurückgewiesene – Idee auf, dass Ptolemäus drei Jahrhunderte früher gelebt haben könnte und erst vom Urheber der Fantomzeit ins zweite nachchristliche Jahrhundert datiert worden wäre. Dasselbe ist aber für Theon bzw. für den Almagest-Kommentar des Theon denkbar.) Ebenso wäre sicher zu stellen, dass Theons Werk über den Almagest nicht – wie der Almagest selbst – nachfantomzeitlich überarbeitet wurde. (Schließlich sind alle antiken griechischen Handschriften durch die Mühle des so genannten Metacharakterismos gegangen: der großen Umschreibe-Aktion von Majuskeln auf Minuskeln, die unter Konstantin VII. Porphyrogennetos zum Abschluss gebracht wurde, vgl. die FAQ, Frage 17.) Nur deshalb, weil Theons Sonnenfinsternis in ungefährer Übereinstimmung mit der langen Mittelalterchronologie ist, ist sie also noch lange keine “Widerlegung” der Fantomzeitthese.

3. Generell ist zum Thema “Widerlegung” zu sagen, dass nicht jeder Sachverhalt, der mit der überlieferten Chronologie harmoniert, automatisch die Illig-These widerlegt. Das ist zwar eigentlich selbstverständlich, bleibt aber nicht selten unbeachtet und sei hier deshalb eigens betont. So sind zum Beispiel archäologische Funde, die in die Fantomzeit datiert werden, zwar im Einklang mit der langen Mittelalterchronologie. Aber zu einer “Widerlegung” Illigs reicht es erst, wenn gezeigt wird, dass sie nicht anders datiert werden können. Karolingische Artefakte sind erst dann zwingend karolingisch, wenn bewiesen ist, dass sie weder römisch noch ottonisch bzw. romanisch sein können. Solange dieser Beweis nicht geführt worden ist, kann der Gegenstand nachträglich und irrtümlich in die Fantomzeit datiert worden sein, mit anderen Worten: Es könnte sich um eine so genannte Karolingisierung handeln. Zu bedenken ist dabei, dass die Fundamente des überlieferten chronologischen Gebäudes seit Joseph Justus Scaliger (gest. 1609) und Dionysius Petavius (gest. 1652) nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt worden sind. Die empirischen Befunde aus sämtlichen Bereichen der historischen Hilfswissenschaften wurden also vor dem unhinterfragten Hintergrund dieser Chronologie gedeutet und begrifflich eingeordnet. Gibt es begründete Zweifel an der Scaliger-Petavius-Chronologie, ist von vorne anzufangen und die wissenschaftliche Arbeit von fast vier Jahrhunderten einer radikalen Prüfung zu unterziehen.

4. Zurück zu Theon und zur Übereinstimmung der von ihm angegebenen Uhrzeit der Sonnenfinsternis mit einer astronomischen Retrokalkulation, die Krojer in John M. Steeles Observations and Predictions of Eclipse Times by Early Astronomers gefunden hat. Man müsste sich diese Berechnung genauer anschauen (was Krojer nicht tut), um daraus Schlüsse ziehen zu können, denn astronomische Kalkulationen laufen über zahlreiche Parameter, die von unterschiedlichen Forschern unterschiedlich angesetzt werden. Problematisch bei der Berechnung der Uhrzeit in weiter zurückliegenden Zeiten ist auf jeden Fall die Veränderlichkeit von Delta-T, das heißt jenes Faktors, mit dem die so genannte Weltzeit (Universal Time = UT, auch Greenwich Mean Time) von der idealen, nicht durch Unregelmäßigkeiten der Erdrotation gestörten so genannten Terrestrial Dynamical Time (TDT, früher Ephemeridenzeit) abweicht. Die UT misst sich am Sonnentag, die TDT am Sonnenjahr. Weil Astronomen vermuten, dass sich die Erdrotation aufgrund von Gezeitenreibung allmählich verlangsamt, die Tage und Nächte über die Jahrhunderte also länger werden, muss bei astronomischen Rückrechnungen Delta-T berücksichtigt werden. Nun ist die Ephemeridenzeit erst 1960 verbindlich definiert worden, Delta-T wird also erst ab dieser Zeit jährlich festgestellt. Für frühere Zeiten muss Delta-T aus den entsprechenden Berichten und Aufzeichnungen erschlossen werden. Die hier wiedergegebene Tabelle mit historischen Werten von Delta-T, auf die unten noch zurück zu kommen ist, findet sich auf der von Fred Espenak versorgten NASA-Seite Historical Values of Delta-T.

Values of ΔT Derived from Historical Records
Year ΔT
(seconds)
Standard Error
(seconds)
-500 17190 430
-400 15530 390
-300 14080 360
-200 12790 330
-100 11640 290
0 10580 260
100 9600 240
200 8640 210
300 7680 180
400 6700 160
500 5710 140
600 4740 120
700 3810 100
800 2960 80
900 2200 70
1000 1570 55
1100 1090 40
1200 740 30
1300 490 20
1400 320 20
1500 200 20
1600 120 20
1700 9 5
1750 13 2
1800 14 1
1850 7 <1
1900 -3 <1
1950 29 <0.1

Aus dieser Tabelle wird ersichtlich, dass Delta-T zur Zeit Theons schon ca. zwei Stunden (= 7200 Sekunden) betrug. Krojers Angaben machen nicht klar, welchen Wert für Delta-T sein Gewährsmann Steele eingesetzt hat.

5. Eins der vielen Probleme bei der Ermittlung von Delta-T ist das Fehlen von Himmelsbeobachtungen vor Beginn des Teleskop-Zeitalters um 1600, die halbwegs heutigen Standards entsprechen. Ein weiteres, für uns gewichtigeres Problem ist, dass Delta-T für länger zurück liegende historische Zeiten aus damals beobachteten Sonnen- und Mondfinsternissen erschlossen werden muss. Die korrekte Identifizierung jener Finsternisse ist aber streng genommen nur möglich, wenn Delta-T bereits bekannt ist (denn Delta-T beeinflusst nicht nur die Uhrzeit, sondern auch den Längengrad, also den Ort, an dem die jeweilige Finsternis zu beobachten ist). Zum Beispiel gibt es viele erfundenen Finsternisse (antike Biographien großer Persönlichkeiten wurden gerne mit fingierten Finsternisberichten geschmückt) und ist die Entscheidung darüber, ob eine Finsternis real war oder nicht, von der Übereinstimmung mit heutiger Retrokalkulation abhängig. Auch sind zahlreiche Finsternisberichte nur dadurch überhaupt datierbar, dass sie mit modernen Rückrechnungen abgeglichen werden. Es ist deutlich, dass hier überall die Gefahr eines Zirkelschlusses droht. Diese Gefahr wird umso größer, je unsicherer die Chronologie ist, die den Rückrechnungen zugrunde liegt. Der Astronom F. Richard Stephenson, der die bis jetzt gründlichste Studie über den historischen Verlauf von Delta-T vorgelegt hat (Historical Eclipses and Earth Rotation, Cambridge 1997), sieht zwar das Problem der Zirkelschlüsse, stellt aber nicht die überlieferte Chronologie in Frage und erkennt somit nicht die ganze Tragweite des Problems.

6. Die Delta-T-Werte der obigen Tabelle sind den Forschungen von Stephenson entnommen. Sie zeigen eine Merkwürdigkeit, die hier kurz anzusprechen ist. Die Veränderung von Delta-T verläuft unregelmäßig: Zwischen den Jahren 1600 und 1500 vergrößert sich – von heute aus rückblickend – Delta-T um 80 Sekunden, dann sind es der Reihe nach 120, 170, 250, 350 und 480 Sekunden und schließlich beträgt die Veränderung von Delta-T zwischen den Jahren 1000 und 900 nicht weniger als 630 Sekunden. Jedes Jahrhundert hat Delta-T also um Beträge zugenommen, die selbst zusehends größer werden. Vom Jahr 900 an rückwärts beginnt sich diese Zunahme langsam abzuflachen, vom Jahr 700 an rückwärts folgen sogar sieben Jahrhunderte, in denen die Veränderung von Delta-T sich annähernd gleich bleibt: Jedes Jahrhundert nimmt Delta-T um einen Betrag von ca. 960 Sekunden zu. Danach wird die Veränderung von Delta-T wieder regelmäßig größer. Statt einer Parabel mit einer regelmäßig wachsenden Veränderung von Delta-T sehen wir also eine Kurve, die zwischen den Jahren 700 und 0 praktisch gerade verläuft. Stephenson zeigt in den Grafiken 14.1 und 14.2 auf Seite 504 von Historical Eclipses den Verlauf der erwarteten Parabel und die Abweichung der tatsächlich gemessenen Werte. Figur 14.7 auf Seite 514 visualisiert die Konsequenz dieser Abweichung für die anzunehmende Veränderung der Erdrotation bzw. der Tageslänge (LOD, Length of Day) im Laufe der Zeit. Wenn die Werte für Delta-T stimmen sollten, hätte sich die Tageslänge zwischen den Jahren 0 und 700 überhaupt nicht verändert! Die Verlangsamung der Erdrotation hätte sieben Jahrhunderte lang ausgesetzt. Ein solches Ergebnis (so wie auch ein weiterer, unter Punkt 7 zu besprechender Umstand) lässt an der chronologischen Einordnung der antiken Finsternisse zweifeln. Stephenson tut das nicht, sondern sucht nach anderen Ursachen für die gefundene Anomalie. Wie die Grafik zeigt, laufen die Gerade der aufgrund von Gezeitenreibung (Tidal friction) zu erwartenden Werte und die Gerade der Mittelwerte aus den Beobachtungen (Average) schon im Mittelalter um 300 Jahre auseinander.

7. Wie steht es um die Überlieferung der Theon-Finsternis? Stephenson schreibt (ebd. S. 335), dass die Theon-Finsternis die einzige Sonnenfinsternis des antiken Europa ist, bei der Beginn und Ende der Finsternis genau aufgezeichnet wurden. Bis zum 14. Jahrhundert (!) gibt es keine weiteren Beispiele („Careful timings of the contacts for only a single solar eclipse – dating from AD 364 – are extant from ancient Europe, and indeed there are no further examples from this part of the world until as late as the fourteenth century”). Gut zu sehen ist das in Grafik 14.2 (Historical Eclipses, S. 504), die zeigt, dass es zwischen den Jahren 0 und 800 neben einigen verwertbaren griechischen Mondfinsternissen nur noch chinesische Beobachtungen gibt. (Auch an der Verlässlichkeit der chinesischen Chronologie zweifelt Stephenson nicht. Dabei steht sie auf tönernen Füßen – vgl. die Literatur über China in Andreas Ottes Auflistung Fantomzeit weltweit.) Diese Sonderstellung der Theon-Finsternis macht natürlich hellhörig. Wenn dann zugleich viel darauf hinweist, dass die Chronologie im Argen liegt und bedeutend zu kürzen wäre, ist an eine Verschiebung der Finsternisbeobachtungen vor Theon um mehrere Jahrhunderte zu denken. Nicht auszuschließen ist, dass eine solche Verschiebung am Ende zur Übereinstimmung zwischen erwarteter und resultierender Delta-T-Kurve führen könnte.

8. Eine mögliche Lösung der Probleme, vor die uns die Theon-Finsternis stellt, wäre die Annahme, dass die Mittelalterchronologie zwar künstlich verlängert worden ist, aber Theons Finsternis dort belassen wurde, wo sie schon vorher war, also im jetzigen Jahr 364 bzw. im Jahr 1586 BP (wobei als Nullpunkt der Before Present-Zählung das Jahr 1950 angenommen wird). Vergleichbares könnte mit dem Almagest passiert sein (siehe oben Punkt 1). Vor der künstlichen Zeitverlängerung, die etwa die Caesar-Augustus-Epoche um 297 Jahre rückwärts verschoben hat, war die Sonnenfinsternis also ins Jahr 53 nach dem Tod von Kaiser Augustus zu datieren. Das passt auch besser zur heute üblichen Auffassung über das Ende der Bibliothek von Alexandria. Diese wurde im Jahr 272 u. Z. bei Kämpfen zwischen Kaiser Aurelian und Zenobia von Palmyra endgültig zerstört (vgl. etwa den Exkurs über die Bibliothek auf der Homepage der UB Bern). Ein Theon von Alexandria kann also nicht 100 Jahre später noch Bibliothekar ebendieser Bibliothek gewesen sein. Dazu kommt, dass die Suda einen Theon von Alexandria kennt, der Zeitgenosse von Kaiser Augustus war und einen naturphilosophischen Kommentar verfasst hat. Ohnehin wissen wir über Theons Leben nur etwas durch die Suda. Schließlich ist zu bedenken, dass Theons Erzählung dem Stil der Finsternisberichte im Almagest folgt (vgl. Stephenson, S. 364: „This account follows very much the style of the eclipse records in the Almagest itself”). Nun ist der Almagest allem Anschein nach im 10. Jahrhundert stark überarbeitet und den Gegebenheiten der verlängerten Mittelalterchronologie angepasst worden (vgl. Beaufort (2001) und Illig/Beaufort/Heinsohn (2003)). Mit Theons Werk könnte eine entsprechende Manipulation vorgenommen worden sein. Wer solche Manipulationen für unwahrscheinlich hält, sollte sich näher mit dem Phänomen des exzessiv betriebenen mittelalterlichen Fälschens befassen (siehe FAQ, Frage 30 und passim). Eine Vermutung über das Motiv zur Erfindung der mittelalterlichen Fantomzeit habe ich im Beitrag Wer erfindet historische Zeit? formuliert.

Fazit

Insgesamt sieht die Argumentationslage in Bezug auf Theons Sonnenfinsternis demnach so aus, dass diese zwar nach aktuellen Rückrechnungen gut zur traditionellen Mittelalterchronologie passt. Werden aber die Probleme, mit denen jene Berechnungen behaftet sind, mitberücksichtigt, ist nach anderen Lösungen zu suchen. Eine mit der Fantomzeitthese kompatible Alternative wurde unter Punkt 8 vorgestellt. Sie beweist, dass die Illig-These durch die Sonnenfinsternis von Theon keineswegs widerlegt wird. Im Gegenteil öffnet die Fantomzeitthese einen Weg zur Lösung der genannten Probleme (insbesondere des seltsamen Verlaufs von Stephensons LOD-Kurve). Nimmt man die vielen anderen Bereiche hinzu, in denen sich die Illig-These inzwischen bewährt hat, spricht momentan mehr für die hier vorgeschlagene Lösung als für die traditionelle Chronologie.

Literatur

Beaufort, Jan (2001): Die Fälschung des Almagest. Versuch einer Ehrenrettung des Claudius Ptolemäus. In: ZS 4/2001, 590-615 u. 1/2002, 32-48

Beaufort, Jan (2007): Wer erfindet historische Zeit? In: ZS 2/2007, 317-332

Beaufort, Jan (2009): Dreißig Fragen zur Fantomzeittheorie

Detering, Hermann (2009): Radikalkritik. Beiträge zur radikalen Kritik der frühchristlichen Geschichte. Gästebuch

Espenak, Fred (2004): NASA Eclipse Website. Historical Values of Delta-T

Illig, Heribert (2000): Wer hat an der Uhr gedreht? Wie 300 Jahre Geschichte erfunden wurden. München

Illig, Heribert / Beaufort, Jan / Heinsohn, Gunnar (2003): Das Scheitern der Archäoastronomie. In: ZS 3/2003, 478-517

Krojer, Franz (2004): Wie man mit Finsternissen Illig einfach widerlegt

Krojer, Franz (2003): Die Präzision der Präzession. Illigs mittelalterliche Phantomzeit aus astronomischer Sicht. Mit einem Beitrag von Thomas Schmidt. München

Kunitzsch, Paul (1974): Der Almagest. Die Syntaxis Mathematica des Claudius Ptolemäus in arabisch-lateinischer Überlieferung. Wiesbaden

Kunitzsch, Paul (1975): Ibn as-Salah: Zur Kritik der Koordinatenüberlieferung im Sternkatalog des Almagest. Göttingen

O’Connor, J. J. / Robertson, E. F. (1999): Theon of Alexandria

Otte, Andreas (2008): Fantomzeit weltweit

Stephenson, F. Richard (1997): Historical Eclipses and Earth Rotation. Cambridge

Universitätsbibliothek Bern (2007): Exkurs: Die Bibliothek von Alexandria (Museion)

Whitehead, David u. a. (Hg.) (2009): Suda On Line: Byzantine Lexicography