Über weiße Hörner, Elefanten und einen verräterischen Satz des Karlsbiographen Einhard

Die Diskussion über Illigs These im Forum für Grenzwissenschaften zieht, nachdem sich kürzlich zwei Befürworter und ein Gegner neu zu Wort gemeldet haben, immer weitere Kreise. Hatten wir anfangs das aus solchen Debatten bekannte Bild eines einzigen Verteidigers gegen viele Angreifer, ist das Verhältnis inzwischen in etwa ausgeglichen. Die Diskussion schwappt gelegentlich sogar zu uns herüber (siehe den Thread Überlieferungszufall?). Wir sind jetzt schon bei knapp 500 Beiträgen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Angesichts des mehrjährigen weitgehenden Schweigens in den Internetforen (von unserem eigenen natürlich abgesehen) ist das eine kleine Sensation.

Zur Erinnerung: Die öffentliche Debatte über die FZT im Usenet fand 2006 ein jähes Ende, als Günter Lelarge schwer erkrankte. Ohne Günters Dauereinsatz war an eine Fortsetzung der Diskussion gegen eine mit allen erlaubten und vor allem unerlaubten Mitteln kämpfende, zahlenmäßig hoch überlegene Gegnerschaft nicht zu denken. Hans-Erdmann Korth, Heribert Illig, Andreas Otte und ich beschlossen damals die Einrichtung einer eigenen Homepage mit regelmäßigen Veröffentlichungen, in der Erwartung, dass diese Arbeit langfristig mehr Früchte abwerfen würde. Die gegenwärtige Diskussion könnte mit ein Ergebnis dieser Öffentlichkeitsarbeit sein.

Highlight der jetzigen Debatte bleibt zweifellos perfidulos Entdeckung, dass Karls legendarischer weißer Elefant seinen Ursprung im Olifant genannten weißen Elfenbeinhorn hat. Wie der richtige Elefant soll das Horn dem Frankenkaiser von Harun al-Raschid geschenkt worden sein. Das bedeutet selbstverständlich, dass alle Erzählungen, die Karl einen wirklichen Elefanten zudichten, jüngeren Datums sind als das Rolandslied, aus dem das Karlshorn stammt. Nun ist das Rolandslied gemäß der englischen Wikipedia im 12. Jahrhundert (zwischen 1140 und 1170), nach der französischen Wikipedia im 11. Jahrhundert und nach der deutschen Wikipedia zwischen 1075 und 1110 entstanden. Folglich ist der weiße Elefant, wo auch immer er auftaucht, selbst bei frühester Datierung mindestens nach 1000 anzusetzen.

Im Grenzwissenschaften-Forum hat nun der Autor Sancho bei Einhard nachgeschaut und dort den weißen Elefanten gefunden, was ein weiterer klarer Hinweis auf den von uns immer schon vermuteten Sekundärcharakter der Vita Karoli Magni ist. Aber es kommt noch besser. In seinem schönen Beitrag, der gleich unten zur Gänze zitiert werden wird, führt Sancho einen Satz des Einhard an, den wir wohl alle bislang übersehen haben. [Korrektur am 5. April: Ganz entgangen ist uns die Stelle offenbar doch nicht. Mantis- und ZS-Autor Franz Siepe hat schon vor sechs Jahren auf sie aufmerksam gemacht.] Er liest sich fast wie das offene Eingeständnis dessen, was wir seit Illig längst zu wissen glauben: dass nämlich er nie wirklich existiert hat. Denn der gute Einhard schreibt, gemäß obiger Argumentation zwei oder drei Jahrhunderte nach Karls Tod, tatsächlich:

Man könnte mich also mit Recht undankbar nennen, wenn ich die großartigen Taten dieses Mannes, der sich um mich so sehr verdient gemacht hat, stillschweigend überginge und es zuließe, daß sein Leben keine schriftliche Würdigung oder gebührende Anerkennung erhielte – ganz so, als hätte er nie existiert!

Ganz so, als hätte er nie existiert. Im Lateinischen steht: quasi qui numquam vixerit. Braucht es mehr, um den legendarischen, erst nachträglich historisierten Charakter des großen Kaisers unter Beweis zu stellen?

Die Gegner der FZT haben dem nicht mehr viel entgegenzusetzen, wenn man den tapferen Altfrid II. ausnimmt: einen traditionellen Historiker, der wie Laitein1 in unserem Forum den heroischen Versuch unternimmt, mit Argumenten und immer wieder neu herbei geschlepptem Material die Fahne der akademischen Mediävistik hoch zu halten. Von den übrigen Gegnern ist mindestens einer (surak) wohl doch ein wenig nachdenklich geworden. Ein anderer, Tarlanc, der sich zwar “Moderator” nennt, aber wahrscheinlich keiner ist, hätte Karls Elefant sein können, denn wie ein solcher benimmt er sich im geschichtswissenschaftlichen Porzellanladen. Der Mann ist allem Anschein nach ein Naturwissenschaftler, der den Zugang zum sensiblen Bereich der Deutungswissenschaften noch nicht gefunden hat. Passend zum Elefanten ist sein Hauptargument gegen die FZT ein ständig wiederholtes “Bullshit” (sic).

Währenddessen geht Chronometer (Hans-Erdmann Korth) einen mittleren Weg, indem er sowohl die traditionelle Chronologie als auch die FZT Illig’scher Prägung ablehnt. Letztere sei nämlich eine Verschwörungstheorie. Diese Einstellung ist aus unserer Sicht freilich eine Zumutung, denn den Vorwurf “Verschwörungstheorie” haben wir mehrfach ausdrücklich zurückgewiesen. Eine Kalenderreform ist nun mal keine Verschwörung, auch dann nicht, wenn zu ihrer Untermauerung Geschichte erfunden wird, und dann immer noch nicht, wenn andere Völker sie übernehmen.

Zu ergänzen sind zwei Korrekturen zum vorigen Beitrag über die Grenzwissenschaftler: Erstens hatte ich Acolina irrtümlicherweise als “Gegner” bezeichnet. Acolina ist aber ein Weib, wie sie hat wissen lassen. Und zweitens legen perfidulo und Acolina Wert darauf, nicht als Befürworter bzw. Gegnerin der FZT vereinnahmt zu werden. Allerdings hatte ich das so auch nicht gemeint, festhalten wollte ich lediglich, dass der eine momentan Argumente für und die andere solche gegen die FZT vorträgt. Übrigens sind auch wir “Zeitenspringer” keineswegs die Dogmaten, Sektierer oder Esoteriker, als die uns Gegner gerne darstellen. Wir erforschen lediglich den Verdacht, den Heribert Illig erstmals 1991 in der Zeitschrift Zeitensprünge (damals Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart) geäußert hat und der sich seitdem vielfach bestätigen ließ. Wir sammeln Argumente, die für die These sprechen, aber durchaus auch solche, die ihr entgegen stehen.

Abschließend folgt hier der vollständige Beitrag von Sancho:

Einhard war laut Wikipedia ein fränkischer Gelehrter, Kunstsachverständiger und Autor, eine der herausragendsten Gestalten der karolingischen Renaissance.
Und sein Werk “Vita Karoli Magni” wird von Historikern als besonderes Werk bezeichnet. Ich habe es jetzt wieder mal gelesen, um den Hinweis zum Elefanten zu finden.
Einhard kennt den Namen Harun al Rhaschid nicht. Er nennt ihn König Aaron von Persien. Dann steht da: Einige Jahre vorher hatte ihn Karl um einen Elefanten gebeten, und Aaron hatte ihm damals seinen einzigen geschenkt.

Für jemanden, der so eng mit Karl zusammen gelebt hat, scheint mir das Werk recht dürftig und streckenweise albern zu sein. Da reihen sich Banalitäten aneinander. Kostprobe von seinen sechs Töchtern: Obwohl sie sehr schöne Mädchen waren und er sie über alles liebte, erlaubte er seltsamerweise keiner von ihnen zu heiraten… Er behielt sie vielmehr alle bis zu seinem Tode bei sich und behauptete, ohne ihre Gesellschaft nicht leben zu können… Daß er von den Gerüchten über ihre Unkeuschheit und dem Gerede über sie gehört hatte, ließ er sich allerdings nicht anmerken. Und wenn Einhard konkret wird, müssen ihn Historiker in einem großen Anhang immer mal wieder korrigieren. Für einen zeitnahen Biografen ein Armutszeugnis.

Einhard schreibt auch, daß Karl vom größten Gelehrten der damaligen Zeit, Alcuin, in den “Sieben Freien Künsten” unterrichtet wurde. Aber Karl muß da seine Schwierigkeiten gehabt haben: Auch versuchte er sich im Schreiben und hatte unter seinem Kopfkissen im Bett immer Tafeln und Blätter bereit, um in schlaflosen Stunden seine Hand im Schreiben zu üben. Da er aber erst verhältnismäßig spät damit begonnen hatte, brachte er es auf diesem Gebiet nicht sehr weit.
So geht der Stuß immer weiter und die Historiker hecheln eifrig mit Fußnoten hinterher, um ihn zu verbessern und zu ergänzen.

Zum krönenden Abschluß gibt es nach dem Tod von Karl eine ellenlange Aufzählung des Erbes. Da wird geteilt und die einzelnen Teile nochmals gestückelt und jedem Bischof und jeder Stadt und diesem und jenem eine Portion zugewiesen. Alles wird jeweils in beschriftete Kisten verpackt und in alle Lande verschickt. Da geht Einhard noch mal so richtig in die Vollen und sein Gedächtnis ist plötzlich quicklebendig.

Die Historiker sind sich sicher, daß alles so seine Richtigkeit hat, da ja auch Einhard selbst im Vorwort schreibt: …da ich sicher bin, daß außer mir niemand die Ereignisse genauer schidern kann, die sich sozusagen vor meinen Augen zugetragen haben.

Und dann schreibt er doch wirklich:
Man könnte mich also mit Recht undankbar nennen, wenn ich die großartigen Taten dieses Mannes, der sich um mich so sehr verdient gemacht hat, stillschweigend überginge und es zuließe, daß sein Leben keine schriftliche Würdigung oder gebührende Anerkennung erhielte – ganz so, als hätte er nie existiert!

Über weiße Hörner, Elefanten und einen verräterischen Satz des Karlsbiographen Einhard

Die Diskussion über Illigs These im Forum für Grenzwissenschaften zieht, nachdem sich kürzlich zwei Befürworter und ein Gegner neu zu Wort gemeldet haben, immer weitere Kreise. Hatten wir anfangs das aus solchen Debatten bekannte Bild eines einzigen Verteidigers gegen viele Angreifer, so ist das Verhältnis inzwischen in etwa ausgeglichen. Die Diskussion schwappt gelegentlich sogar zu uns herüber (siehe den Thread Überlieferungszufall?). Wir sind jetzt schon bei knapp 500 Beiträgen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Angesichts des mehrjährigen weitgehenden Schweigens in den Internetforen ist das eine kleine Sensation.

Zur Erinnerung: Die öffentliche Debatte über die FZT im Usenet fand 2006 ein jähes Ende, als Günter Lelarge schwer erkrankte. Ohne Günters Dauereinsatz war an eine Fortsetzung der Diskussion gegen eine mit allen erlaubten und vor allem unerlaubten Mitteln kämpfende, zahlenmäßig hoch überlegene Gegnerschaft nicht zu denken. Hans-Erdmann Korth, Heribert Illig, Andreas Otte und ich beschlossen damals die Einrichtung einer eigenen Homepage mit regelmäßigen Veröffentlichungen, in der Erwartung, dass diese Arbeit langfristig mehr Früchte abwerfen würde. Die gegenwärtige Diskussion könnte mit ein Ergebnis dieser Öffentlichkeitsarbeit sein.

Highlight der jetzigen Debatte bleibt zweifellos perfidulos Entdeckung, dass Karls legendarischer weißer Elefant seinen Ursprung im Olifant genannten weißen Elfenbeinhorn hat. Wie der richtige Elefant soll das Horn dem Frankenkaiser von Harun al-Raschid geschenkt worden sein. Das bedeutet selbstverständlich, das alle Erzählungen, die Karl einen wirklichen Elefanten zudichten, jüngeren Datums sind als das Rolandslied, aus dem das Karlshorn stammt. Nun ist Rolandslied nach der englischen Wikipedia im 12. Jahrhundert entstanden (zwischen 1140 und 1170), nach der französischen Wikipedia im 11. Jahrhundert und nach der deutschen Wikipedia zwischen 1075 und 1110. Folglich ist der weiße Elefant, wo auch immer er auftaucht, selbst bei frühester Datierung mindestens nach 1100 anzusetzen.

Im Grenzwissenschaften-Forum hat nun der Autor Sancho bei Einhard nachgeschaut und dort bereits den weißen Elefanten gefunden, was ein weiterer klarer Hinweis auf den Sekundärcharakter der Vita Karoli Magni ist. Aber das ist noch nicht alles. In seinem schönen Beitrag, der gleich unten zur Gänze zitiert werden soll,