Fantomzeit

Dunkelheit oder Leere im frühen Mittelalter?

2. April 2016                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Urkunden fälschen. Resultate des einschlägigen Kongresses

von Heribert Illig (aus Zeitensprünge 3/2015)

In memoriam Prof. Dr. Hans-Ulrich Niemitz, der sich als erster von uns mit dem abschließenden Vortrag Horst Fuhrmanns „Von der Wahrheit der Fälscher“ beschäftigt und mir das Rätsel der Fälschungen „mit antizipatorischem Charakter“ zur Auflösung überlassen hat [I:89, 97 f.].

Es wird höchste Zeit, den Schatz zu sichten, den die professionellen Fälschungsjäger, also Diplomatiker und Paläographen, vor fast 30 Jahren ausgebreitet haben. Zwar habe ich gelegentlich auf diese Fülle hingewiesen, aber sie nicht konkret ausgeschöpft. Dies soll nun mit einigen Zitaten aus den fast 4.000 Seiten der fünfbändigen Edition der Kongress-Akten geschehen. Die Veranstaltung selbst hatte 544 Teilnehmer, die ihre über 150 Beiträge nur zum kleineren Teil an den vier Tagen vorgetragen, sondern in den darauf folgenden zwei Jahren erstellt oder zur Druckreife gebracht haben. So ziemlich alle in den Zeitensprüngen kritisierten Mediävisten waren vertreten: Gert Althoff, Bernhard Bischoff, Michael Borgolte, Karl Bosl, Carlrichard Brühl, (der Semiotiker und Roman-Autor Umberto Eco als Festredner), Johannes Fried, Max Kerner, Theo Kölzer oder Rudolf Schieffer (doch Fried und Schieffer nicht als Autoren). Der uns ebenfalls bekannte Horst Fuhrmann als damaliger Präsident der MGH hat die Tagung geleitet, den Abschlussvortrag gehalten und die Bände herausgegeben. Weiter … »

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14. Juni 2015                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Fiktive Hammaburg im Riesenformat

Eine Klarstellung von Heribert Illig (aus Zeitensprünge 01/2015)

Weiss, Rainer-Maria / Klammt, Anne (2014): Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs; Veröffentlichung des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg; Hamburg, 508 großformatige Seiten, zahlreiche Abbildungen [= WK]

‘Top secret’: Das Buch zur Hammaburg-Ausstellung ist kein Katalog, sondern ein schwergewichtiger, weitausgreifender, auch redundanter Aufsatzband und wird nur an der Museumskasse ausgehändigt. Trotzdem ist es einem ‘Südlicht’ gelungen, ihn einsehen und so feststellen zu können: Der Aufsatz von Museumsdirektor Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss „Mythos Hammaburg – Fakten und Fiktionen zur Frühgeschichte Hamburgs“ [WK 17-53] gibt den Rahmen vor; die weiteren Artikel von 37 Autoren bringen dazu zahllose Details und Weiterungen.
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10. Mai 2014                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Zeitensprünge

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Bischof Gregor von Tours über die Gestirnsbewegungen

von Zsolt Németh (aus Zeitensprünge 1/2014)

Mitte der 1980er Jahre wurde eine heftige Diskussion in Nature, der wohl bedeutendsten naturwissenschaftlichen Zeitschrift der Welt, entfacht über etwas, das eigentlich gar nicht so richtig in diese Zeitschrift passt. Wolfhard Schlosser und Werner Bergmann (nachfolgend SB [1985]), Professoren an der Ruhr-Universität Bochum, haben beim Studieren des Werkes De cursu stellarum ratio, qualiter ad officium implendium debeat observari (eine Abhandlung über die Beobachtung der Gestirnsbewegungen zum Zweck der Bestimmung der Gebetszeiten, nachfolgend: DCS) von Bischof Gregor von Tours (ca. 538–593 [SB 1985, 46; Wood]) eine überraschende Hypothese aufgestellt. Der Bischof erwähnt einen Stern namens Robeola, der dem Namen nach zu urteilen eine rötliche Farbe haben soll, und den er als splendida, also prächtig leuchtend bezeichnet [DCS 870]. SB [46] identifizieren Robeola als Sirius, obwohl der Sirius heute weiß leuchtet. Sie begründen ihre Hypothese folgendermaßen:
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3 Kommentare zu “Bischof Gregor von Tours über die Gestirnsbewegungen”
1
Basileus sagt:
4. September 2014 um 22:21

Die Beschreibungen zum Sternhimmel sind bei Gregor zu ungenau, um daraus irgendwelche belastbaren Schlußfolgerungen zu ziehen. Etablierten Astronomen gefällt es, an den Haaren herbeigezogene Spekulationen anzustellen und sich dabei möglichst noch zu zu überbieten. Keiner wird sie dafür schelten oder als Ketzer abstempeln, da ihre Spekulationen nichts mit Geschichts- oder Chronologiekritik zu tun haben.

Aber zu Gregors Finsternissen, die nach offizieller Zuordnung hinten und vorne nicht passen, kann man etwas Belastbares sagen. Warum sich aber gerade dazu kein etablierter Astronom äußert, dürfte somit klar sein !

Zsolt Németh: “Ich habe in der Datenbank von Espenak auch überprüft, ob es zwischen 200 und 900 vielleicht ein Jahr gegeben hätte, in dem sich ausgerechnet am 1. Oktober ein in ganz Gallien sichtbare Sonnenfinsternis abgespielt hätte. Die Antwort ist nein! All dies beweist, dass wir nicht nach einem existenten oder immerhin nicht überarbeiteten Gregor an einem anderen Punkt auf der Zeitachse Ausschau halten müssen, sondern dass es sich bei dem in der Historia beschriebenen Ereignis um ein im Nachhinein berechnetes Phänomen handelt.”
Diese Aussage des Autors ist nicht nachvollziehbar. Weder gibt er einen Grund an, die Suche nach einer bei Gregor beschriebenen Sofi (“1.10.563”) auf “zwischen 200 und 900” einzugrenzen, noch begründet er seine Schlußfolgerung (“All das beweist …”).

Geht man offen an das Problem heran, so fällt einem die SoFi am 2.10.1084 auf, bei der der Bedeckungsgrad von ca. 80 % in Tours mit der Angabe in der Quelle übereinstimmt. Auch das Datum ist mit nur einem Tag Abweichung genauer als bei der Datierung nach offizieller Geschichte mit zwei Tagen Differenz zur Quelle.
http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1084-10-02.gif
http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEsearch/SEsearchmap.php?Ecl=10841002

Auch eine weitere Finsternis von Gregor kann ich genauer datieren als die offizielle Geschichte. Die Finsternis “Mitte Oktober”, von der offiziellen Geschichte auf den 4.10.590 datiert, war nach meiner Auffassung offensichtlich eine MoFi, und keine SoFi, wie die offizielle Geschichte behauptet. Es handelt sich um die MoFi am 18.10.1111, ebenfalls 521 Jahre später wie auch die andere Finsternis von Gregor.
http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1101-1200/LE1111-10-18P.gif
Somit stimmt auch die Quellenangabe “Mitte Oktober“, was nach offizieller Geschichte nicht der Fall ist. Genau diese MoFi wird auch von Fredegar berichtet.

Weitere übereinstimmende Finsternisse zu überlieferten Finsternisberichten – und zwar alle, die R.Starke in “Niemand hat an der Uhr gedreht!” auflistet (außer Ptolemäus) – hier:
http://de.geschichte-chronologie.de/index.php?option=com_content&view=article&id=132:astronomie-und-chronologiekritik&catid=35:2008-11-15-18-09-31&Itemid=121

2
admin sagt:
5. September 2014 um 19:40

Zu diesem Thema sei an einen Abschnitt in „Wer hat an der Uhr gedreht?“ von 1999 erinnert:

„Astronomische Feinabstimmung

Wir haben uns weithin an Kalender, an ihre Berechnung wie die zugehörigen Bauten gehalten. Die Verbindung von altem Schrifttum mit Ausgrabungsergebnissen der römischen Sonnenuhr gibt uns ebenfalls gute Kontrollmöglichkeiten. Hier hat nun die Astronomie ein gewichtiges Wort mitzusprechen, da sie nichtig nur den gegenwärtigen Himmel, sondern per sekundengenauer Rückrechnung für sich in Anspruch nimmt, auch die Vergangenheit unter die Lupe nehmen zu können. Ihre Betrachtungen wiederkehrende Kometen, Planetenkonjunktionen oder Supernovae haben wir bereits einbezogen; wir werden die Berichte mittelalterlicher Chroniken über einstige Finsternisse noch prüfen.

Die Astronomen haben mittlerweile Kontrollrechnungen hinreichend seltene Himmelsereignisse angestellt, die jede Phantomzeit ausschließen sollten, Sie sehen vor allem Sonnenfinsternisse als deutlich unterscheidbare Individuen, die für oder gegen meine Thesen aussagen können. 1997 wurde von den Professoren Werner Bergmann und Wolfhard Schlosser als erstes eine Sonnenfinsternis von 590 ins Spiel gebracht, über die uns Gregor von Tours folgendes in Buch X, Kapitel 23 berichtet: »In der Mitte des Monats Oktober verfinsterte sich die Sonne, und ihr Licht nahm so ab, daß sie kaum so groß blieb wie die Mondsichel am fünften Tag nach dem Neumond.«

So knapp diese Beobachtung geschildert ist, so überarbeitet ist sie bereits. Der lateinische Text spricht ausdrücklich vom 8. Monat, der damals der August war, nicht wie in alten Römertagen der Oktober; er spricht keineswegs vom Neumond, sondern einfach vom »fünften Mond«; eindeutig ist seine Aussage »Mitte des Monats«.

Insofern paßt die rückgerechnete Finsternis vom 4.10.590 nur bei großer Toleranz. Sie liegt keineswegs in der Mitte des 8. Monats, sondern am Anfang des 10. Monats, und die ringförmige Finsternis spricht gegen die Sichelform. Als Schlosser und Bergmann exakt 300 Jahre weiterzählten, fanden sie keine adäquate Finsternis und erklärten meine These für widerlegt.

Aber mit den von mir vorgeschlagenen 297 Phantomjahren wären sie am 20.10.887 einem adäquaten »Individuum« begegnet: wieder im Oktober, aber diesmal nahe der Monatsmitte, wiederum wie der 5. Mond, diesmal vom Vollmond aus gezählt, ein in der Spätantike auch geübter Brauch; nach Mucke und Meeus war es keine ringförmige, sondern eine totale Finsternis.“ [Wer hat an der Uhr gedreht, 144-145]

Es ist zwangsläufig so, dass sich jeder die ihm passende Finsternis heraussucht. Nachdem sie zwangsläufig in gewissen Intervallen auftreten, wird man sich immer wieder bestätigt fühlen. Wer unbedingt Gregor von Tours im 12. Jh. schreiben lassen will, der soll dies tun. Aber mit Sonnenfinsternissen große zeitliche Verschiebungen zu begründen und anders lautende Thesen zu verwerfen, hat nichts Zwingendes.

3
Basileus sagt:
16. September 2014 um 10:30

“Es ist zwangsläufig so, dass sich jeder die ihm passende Finsternis heraussucht. “

Um das zu vermeiden, habe ich genau die Finsternisberichte genommen, die R. Starke in seinem zitierten Buch auswählt, um zu beweisen, daß “an der herrschenden Chronologie auch nicht der geringste Zweifel bestehen kann” (so sein Anspruch). Eine Ausnahme bildet Ptolemäus, der aber auch schon von Ginzel als Ausnahme gesehen wurde, und auch in neuerer Zeit, z.B. Demandt. Damit verbunden ist ja der bereits seit früher Neuzeit erhobene Fäschungsvorwurf.

Ich vermeide daher die Fehler anderer Autoren, deren willkürliche Auswahlen in der Tat nicht nur voneinander abweichen, sondern auch von der Auswahl der Vertreter der offiziellen Geschichte. Lediglich bei letzteren kann man aber eine Begründung finden, warum gerade diese Finsternisse für die Überprüfung der Chronologie geeignet sind, die m.A.n. im Großen und Ganzen zutreffend ist.

“Nachdem sie zwangsläufig in gewissen Intervallen auftreten, wird man sich immer wieder bestätigt fühlen. “

Die Intervalle sind aber nicht beliebig und treffen auch nicht für alle Finsternisse gleich zu, so daß das Gefühl der Bestätigung sich nur bei willkürlicher Auswahl (siehe die üblichen Autoren) automatisch einstellt.

Danke für den Hinweis mit dem “8. Monat” zur Finsternis von “590”. Ich hatte das vor längerer Zeit schon einmal (auch im Original) gelesen; es war mir dann aber vor ein paar Monaten bei der Suche nach einer passenden Finsternis nicht mehr präsent.

Mal angenommen, der 8. Monat wäre hier aber doch als Oktober zu lesen (so wie auch bei der SoFi am 20.10.887 in dem von Ihnen zitierten Text). Den Text “et ita lumen eius minuit, ut vix, quantum quintae lunae cornua retinent, ad lucendum haberet.” übersetze ich mit “und sein Licht verminderte sich so sehr, daß er kaum soviel wie die Sichel des fünften Mondes (= 5. Tag nach Neumond) zum Leuchten hatte.”

Bei der Beschreibung einer Sonnenfinsternis mit einem Bedeckungsgrad von ca. 50-60 % am 4.10.590 (laut Rückrechnung) hätte man eigentlich so etwas erwartet wie “etwas weniger als die Hälfte der Sonne sichtbar” o.ä., aber keine Bezugnahme auf die vergleichbare Größe der leuchtenden Mondsichel !
(Übrigens funktioniert dieser Bedeckungsgrad nur bei den willkürlichen Delta-T-Werten nach offizieller Geschichte. Ohne diese Korrektur wäre die Sonne in Frankreich zu ca. 90 % bedeckt, was dann auch wieder dem Text widerspricht. In meinem Modell verzichte ich auf die willkürliche, spekulative Annahme physikalischer Anomalien in der entfernten Vergangenheit, ohne die die offizielle Geschichte nicht auskommt.)

Bei der MoFi am 18.10.1111 stimmt die Größe der verbliebenen Mondsichel (nicht bedeckter Mond) von etwa 40 % mit der Angabe im Text (5. Tag nach Neumond) überein, ebenso die Angabe Mitte des Monats. Gregor hatte dann entweder einen schlechten Informanten oder hat selbst beim Schreiben Sonne und Mond verwechselt (vielleicht auch nur, um die Dramatik dieses Jahres zu erhöhen, siehe unten) – soll ja alles vorkommen. Oder der Kopist hats versaut und Sonne und Mond verwechselt und das dazugehörige Pronomen auch.

Ohne Zusatzannahmen kommen also bei dieser Finsternis weder die offizielle Geschichte noch ich aus.
And the winner is (diesmal): Die Fantomzeitthese !
Zumindest mit dem Datum stimmts mit dem 20.10.887 (allerdings auch wieder mit Oktober statt August), aber ein Bedeckungsgrad von unter 30 % in Frankreich (über 70 % unbedeckt) paßt auch nicht zum Text.
http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEsearch/SEsearchmap.php?Ecl=08871020

Der Originaltext befindet sich in einem Kapitel über Wunder, Naturkatastrophen usw. im Jahre 590. Es würde daher passen, wenn Gregor neben Feuerbällen in der Nacht, Erdbeben, der Pest und weiteren Unglücken (alles in diesem Jahr 590) auch noch eine Sonnenfinsternis erdichtet. Hier zum Nachlesen in Latein und Englisch (Buch X, Kapitel 23):
http://www.thelatinlibrary.com/gregorytours/gregorytours10.shtml
http://www.fordham.edu/halsall/basis/gregory-hist.asp#book10

“Aber mit Sonnenfinsternissen große zeitliche Verschiebungen zu begründen und anders lautende Thesen zu verwerfen, hat nichts Zwingendes.”

Das sehe ich zum Teil etwas anders.
1) Mein beschriebenes Modell widerlegt die Versuche von R. Starke und anderen Autoren, astronomisch die Richtigkeit der Chronologie der offiziellen Geschichte zu beweisen.

2) Im Sinne einer Begründung chronologischer Verwerfungen kann es als Indiz neben weiteren dienen.

3) Beweisen kann man mit Finsternissen allein natürlich nichts. Da stimme ich Ihnen zu. Das geht schon aus wissenschaftstheoretischen Gründen nicht. Der explizit von den Vertretern der offiziellen Geschichte erhobene Anspruch das doch zu können, nämlich zu beweisen, daß “an der herrschenden Chronologie auch nicht der geringste Zweifel bestehen kann”, läßt schon ernsthafte Zweifel an der wissenschaftlichen Relevanz dieser Versuche aufkommen.

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5. Januar 2014                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Kommentar zur Graz-Diskussion vom 14. Mai 2013

von Heribert Illig (zusammengeführt und überarbeitet aus Zeitensprünge 2/2013 und 3/2013)

Die Universität Graz, genauer die „7. fakultät“ und damit ihr Zentrum für Gesellschaft, Wissen und Kommunikation, lud am 14.05.2013 zur Podiumsdiskussion in ihr Meerscheinschlössl. Dort drängten sich 160 Zuhörer, die Mehrzahl Studenten, um im überfüllten Saal zuzuhören und Fragen zu stellen. Auf dem Podium nahmen Platz: der Mediävist Prof. Johannes Gießauf und mit Prof. Manfred Lehner der erste Archäologe, der öffentlich mit mir, dem dritten Teilnehmer, diskutierte. Als Moderatoren fungierten Dr. Elisabeth Holzer und der im ‘Nebenberuf’ Archäologie studierende Oliver Pink. Ein Aufnahmeteam hielt den historischen Moment in Bild und Ton fest, damit ihn die Universität ins Internet stellen könne. Leider war der Tonmeister mit seiner Arbeit nicht zufrieden, so dass es bislang dazu nicht kam. Lediglich eine 3-Minuten-Zusammenfassung konnte produziert werden [uni graz].

Zumindest erhielt ich selbst einen Mitschnitt. Insofern konnte erstmals eine derartige Diskussion als Mitschrift wiedergegeben werden. Die Qualität wird sich kontrollieren lassen, sollte die Aufzeichnung doch noch ins Netz gestellt werden.
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22. Februar 2013                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Zeitensprünge

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Trierische Spätantike

Noch unchristlich oder schon Phantomzeit? (Trier III)

von Karl-Heinz Lewin (überarbeitet aus Zeitensprünge 1/2012)

In „2.000 Jahre Trier – was blieb übrig?“ [L. 2006] zählte ich die Nennungen von Baudaten und Grabungsbefunden in der Denk­mal­topo­­graphie der Trierer Altstadt [STA]. Funde, die dem 7. bis 9. Jh. zugeschrieben wurden, sind äußerst rar.

Fortschreibung der Baudatennennungen

Ende 2010 konnte ich endlich den zweiten Band der Trierer Denk­mal­topo­graphie [STS] erwerben, der den übrigen Teil des heutigen Stadt­kreises Trier behandelt, in dem sich zwei Drittel des ehemaligen römischen Stadtgebietes befanden. Doppelnennungen ignorierte ich nur dann, wenn sie unmittelbar hintereinander standen, und urkundliche Nennungen erfasste ich genauso wie solche, die durch Münzfunde oder dendro­chronologisch datiert wurden oder bei denen die zu Grunde liegende Datierungs­methode nicht erkennbar war. Das Ergebnis beider Auswertungen ist in dem abgebil­deten Diagramm wiedergegeben.
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15. November 2012                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Zeitensprünge

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Zur Phantomzeit in Thüringen. Schriftquellen und archäologischer Befund

von Klaus Weissgerber (aus Zeitensprünge 3/99 und 4/99)

1. Vorbemerkung

Seit 1991 vertreten Illig und zunehmend mehr Autoren die These, daß die Berichte über Ereignisse, die im 7., 8. und 9. Jh. stattgefunden haben sollen, spätere Fälschungen sind und daß der Zeitraum, der konventionell auf etwa 614 bis 911 datiert wird, in Wirklichkeit eine “Phantomzeit” gewesen ist. Diese These wurde zunächst darauf gestützt, daß bei der Gregorianischen Kalenderreform 1582 nur 10 Leertage angesetzt wurden (13 Tage waren zu erwarten). In der Folgezeit wurde sie vor allem durch Illig in architektonischen Analysen und in grundsätzlichen Publikationen [“Das erfundene Mittelalter”; “Wer hat an der Uhr gedreht?”] weiter ausgebaut. Natürlich handelt es sich um ein weltweites Problem. Auch andere Autoren des Bulletins Zeitensprünge, wie Heinsohn, A. Müller, Rade und Zeller haben in Analysen zur Geschichte die ‘Randgebiete’ Europas und verschiedener Regionen Asiens recht überzeugende Lösungsvorschläge unterbreitet. (Nicht akzeptieren kann ich allerdings Toppers China-Thesen; die Fomenko-Konzeption lehne ich grundsätzlich als unwissenschaftlich ab.)
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2 Kommentare zu “Zur Phantomzeit in Thüringen. Schriftquellen und archäologischer Befund”

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12. Mai 2012                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Zeitensprünge

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Aachens Baudatum im Einklang mit allen Indizien

von Heribert Illig (aus Zeitensprünge 1/2012)

Die „nouvelle histoire“ war Ergebnis von französischen Mediävisten, die sich dem alten Thema Mittelalter auf neue Weise widmeten, indem sie weniger Regenten und Kriege bejubelten, sondern Wirtschaft und Gesellschaft stärker gewichteten. Aus der Tradition der Annales kommend, lag ihnen Strukturgeschichte stärker am Herzen, wie sie auch langfristige Entwicklungen stärker herausarbeiteten und Geschichte von unten, gerade im ländlichen Raum betrieben. Für das Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg stehen folgende Koryphäen: Georges Duby 1919–1996; Jacques Le Goff *1924; Robert Fossier *1927 und Emmanuel Le Roy Ladurie *1929.

Gerade Duby erforschte die wirtschaftliche Entwicklung und die dahinter stehende Gesellschaft, insbesondere in seinem Buch Krieger und Bauern von 1973 [übersetzt 1984 = D.], das die Veränderungen vom 7. bis zum 12. Jh. unter die Lupe nimmt. Da geht es um die Produktivkräfte, die Sozialstruktur, um Feudalzeit, Bauern und Herren. Und es geht ums Detail: Welche Werkzeuge waren verfügbar, welche Ernährungsgewohnheiten gab es, welche Krankheiten dominierten, wie funktionierte damals Geldwirtschaft. So erfährt man etwa, dass das Verschwinden der Totenbeigaben in einer christlich werdenden Gesellschaft keineswegs die Hinterbliebenen bereicherte:

„Nun war es nämlich die Kirche, die den »Totenanteil« forderte, die all das in Anspruch nahm, was ihm [dem Toten; HI] die Erben für sein Leben nach dem Tode überlassen hatten. Wurden die Schätze früher in den Gräbern gehortet, so geschah dies nun in den heiligen Stätten des Christentums“ [D. 72].

Oder es wird auf die schwierigen klimatischen Bedingungen hingewiesen. So ereignete sich 1033 gemäß Radulfus Glaber eine Hungersnot, die bis zum Kannibalismus geführt habe:

„Permanente Regenfälle hatten den ganzen Boden so durchnäßt, daß es drei Jahre lang unmöglich war, Furchen zu ziehen, die Samen aufgenommen hätten“ [D. 207].

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20. September 2011                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Zeitensprünge

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Was las man denn zur Karolingerzeit? – Teil IV

von Paul C. Martin (aus Zeitensprünge 2/2002)

Was gelesen werden kann, muss zuvor geschrieben worden sein. Dabei muss es sich bei dem Geschriebenen um Texte handeln, die im Abendland in der Zeit „um 800“ in Form von Schriftrollen, Kodizes oder Einzelblättern vorhanden gewesen sein müssen. Als Material kam Papyrus oder Pergament in Frage.

Theo Kölzer hat uns mit seiner Edition der Merowinger-Urkunden bemerkenswerte Einsichten in das schriftliche Schaffen der vorkarolingischen Periode ermöglicht [Kölzer 2001].

Von 196 Merowinger-Urkunden, die er ediert, sind für ihn 129 gefälscht, interpoliert oder zweifelhaft, was nebenbei die „mit Abstand höchste Fälschungsquote unter den mittelalterlichen Herrscherurkunden“ [ibid. XII] darstellt. Kölzer landet schließlich bei 38 „Originalen“ des Zeitraums von 625 bis 717, was natürlich die Frage aufwirft, wie viele Urkunden aus dieser „dunklen Zeit“ überhaupt auf uns gekommen sind. Kölzer schätzt nach Ganz/Goffart [1990, 912 f.] den Anteil des Erhaltenen auf weniger als 0,001 % und meint, dass

„selbst einfache Überlegungen [zeigen], daß bezüglich der Königsurkunden mit Sicherheit nur Bruchteile von Prozent überliefert sind“ [Kölzer 2001, XV],

wobei er seinen Lehrer Brühl und sich selbst als Autorität angibt.
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5. August 2011                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Was las man denn zur Karolingerzeit? – Teil III

von Paul C. Martin (aus Zeitensprünge 2/2001)

Karl der Große kannte das Phänomen „Schrift“ bestens. Er hat zahlreiche Urkunden, die das „Karlsmonogramm“ zeigen, mit seinem berühmten „Vollziehungshäkchen“ rechtskräftig gemacht. Es ist ganz unvorstellbar, dass ihm seine Notare nicht mitgeteilt haben, was es mit den Pergamenten, die sie ihm vorlegten, auf sich hatte, zumal es um – in heutiger Kaufkraft gerechnet – milliardenschwere Transaktionen ging.

Der große Kaiser kannte auch das Phänomen „Buch“, also jene Kodizes, die – ebenfalls aus Pergament – aus der „Karolingerzeit“ zu Tausenden überliefert sind, zumindest in Bruchstücken.
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3. Juli 2011                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Was las man denn zur Karolingerzeit? – Teil II

von Paul C. Martin (aus Zeitensprünge 4/2000)

Zu den größten Rätseln der Bücher- und Bibliotheksgeschichte gehört der Übergang von jenen Texten, die angeblich schon im Altertum und im Mittelalter, dabei vor allem in der uns interessierenden Zeit „um 800“ existiert haben sollen, in die Gegenwart. Seit langem schon geht der Verdacht um, dass ein Großteil dieser Texte (wenn nicht gar alle) ein Fabrikat des späteren Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit gewesen sein könnten.
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2. Oktober 2010                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Zeitensprünge

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Fehlende Kreuzgänge und Benediktiner – Entwicklung von Bautyp und Orden

von Heribert Illig (überarbeitet aus Zeitensprünge 1/2009)

Kreuzgänge können der Kontemplation und Meditation dienen. Sie können aber auch Schauplatz werden für einen Gelehrtenstreit, bei dem in drei Stufen das Entstehen des Kreuzgangs als architektonisches Grundelement vom 6. übers frühe 9. bis in späte 10. Jh. verjüngt wird. Gleichzeitig und in gleicher Weise rückt der Beginn des Benediktinerordens ins 10. Jh. Als Basis für zwei der drei Stationen dienen die Bücher von Rolf Legler [= L. 1984; 1989; 1995; 2007], der im Rahmen herrschender Lehre die fruchtbarste Kritik an ihr geübt hat.

Während dem ruhesuchenden Europäer seit langem die Kreuzgänge von Klöstern und Kapiteln vertraut sind, hat sich die Forschung diesem ‘Knotenpunkt’ monastischer Kultur lange Zeit nur unzureichend angenommen. Es war Legler, der hier wohl erstmals tragfähigen Boden bereitet hat und zu Einsichten vorgestoßen ist, die bei Gültigkeit der These vom erfundenen Mittelalter zu überraschenden Konsequenzen führen. Die Basis legte der Vielgereiste 1984 mit seiner Dissertation, die 1989 in aktualisierter Form publiziert worden ist. 1995 verband er seine grundlegenden Gedanken mit einem Fototeil, um 2007 eine knappe, aber fundierte Übersicht über Architektur, Symbolik und Gebrauch des Kreuzgangs vorzulegen. Seine Teilnahme am Internationalen Symposium 1999 in Tübingen wie die dortigen Vorträge [bei Klein 2004] belegen, dass sich die übrigen Spezialisten mit seinen Thesen auseinandersetzen und seiner „Fundamentalkritik der bisherigen Forschung durchaus beipflichten” [Jacobsen, 39].

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16. November 2009                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Zeitensprünge

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Höhen und Tiefen der Archäoastronomie – Maya-Kalender und Astrolabien

von Heribert Illig (aus Zeitensprünge 1/2004)

Eine Revolution im Maya-Kalender

Wie mir dankenswerterweise Karl-Heinz Lewin, Haar, mitteilte, gibt es erstaunliche Neuigkeiten beim für seine Genauigkeit gerühmten Kalender der Maya. Andreas Fuls [2004, passim] hat Forschungen, die er zusammen mit Brian Wells in den letzten Jahren betrieben hat, in Spektrum der Wissenschaft vorgestellt.

Seit 1927 ist man davon ausgegangen, dass der Startpunkt der ‘Langen Zählung’ des Maya-Kalenders auf dem 8. 9. -3114 gelegen hat – so die Synchronisation mit dem christlichen Kalender. Sie ist aus verschiedenen Komponenten ermittelt worden: aus Sonnenjahren, synodischen Umlaufzeiten der Venus, einschlägigen Korrekturwerten, überlieferten Finsternissen und Frühlingspunktangaben. Gerade wegen der verschiedenen astronomischen Werte wollte keine einheitliche Linie gelingen, so etwa wenn Nancy Owen eine Synchronisation anhand einer Serie von Sonnenfinsternissen versuchte, aber nicht den notwendigen Neumond, sondern den Vollmond traf. Mittlerweile gibt es sechs Korrelationen zur christlichen Zeitrechnung, die auf schriftlichen Quellen (leider vorwiegend spanischen) und mindestens 18 weitere mit astronomischer Begründung.
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4 Kommentare zu “Höhen und Tiefen der Archäoastronomie – Maya-Kalender und Astrolabien”
3
ao sagt:
21. November 2009 um 10:22

Das Thema um das angebliche Ende des Maya-Kalenders ist derzeit durch den Roland Emmerich Film “2012” in aller Munde. Zu bedenken ist, dass erstens der Kalender nicht endet, sondern nur einen neuen Zyklus beginnt und zweitens, entsprechend den Nachforschungen von Andreas Fuls und Brian Wells (2004), die Korrelation auf der das Datum 21.12.2012 basiert, falsch bzw. höchst unwahrscheinlich ist.

[…] Heribert Illig: Höhen und Tiefen der Archäoastronomie. Maya-Kalender und Astrolabien […]

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2. August 2009                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Sonstiges, Zeitensprünge

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C14-Crashkurs

Warum wir mit C14-Methode und Dendrochronologie nicht absolutdatieren können

von Christian Blöss und Hans-Ulrich Niemitz (aus Zeitensprünge 2/2003)

1. Einleitung

Mit diesem Artikel möchten wir die Kritik der Radiokarbonmethode wiederbeleben, denn noch immer werden chronologische Aussagen mit Radiokarbondaten begründet. Erneut arbeiten wir die Probleme sowohl der Radiokarbonmethode als auch der Dendrochronologie heraus und zeigen auf, wie gering der Spielraum für Datierungen mit Hilfe dieser beiden Methoden tatsächlich ist – ein Crash-Kursus in Sachen »C14-Crash«. Seitenangaben wie [177/164] verweisen auf die beiden Auflagen unseres Buches [11997/22000].

Zuerst betrachten wir das Wesen und die Aufgabe der Dendrochronologie. Dass sie ihre Baumringfolgen in sicherer Weise nur mit Hilfe anderer Datierungsmethoden verlängern kann, ist eine ganz entscheidende Randbedingung ihrer Arbeit. Diese Hilfe hat sich die Dendrochronologie insbesondere von der Radiokarbonmethode (im folgenden als C14-Methode bezeichnet) geholt (Bild 1). Kommt die C14-Methode ihrerseits ohne weitere Hilfe zu naturwissenschaftlich begründeten Datierungen? Nein, auch die C14-Methode ist auf andere Datierungsmethoden angewiesen, um selbst datieren zu können. Diese Hilfe erhoffte sie sich ausgerechnet von der Dendrochronologie (Bild 2, für eine graphische Veranschaulichung dieser zirkulären Beziehung siehe [162/150]).

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4 Kommentare zu “C14-Crashkurs”

[…] Chr. Blöss / H.-U. Niemitz: C14-Crashkurs. Warum wir mit C14-Methode und Dendrochronologie nicht ab… […]

[…] Neu-Veröffentlichung des C14-Crashkurs dient der Vorbereitung dieser Bemerkungen, damit nicht immer wieder die Grundlagen der Kritik der […]

[…] kennen das zur Genüge. “C14-Jahre” entsprechen nicht den wirklichen Jahren (Blöss/Niemitz), Dendrochronologen haben ihre frühmittelalterlichen Baumreihen auseinander gerissen (Otte) und […]

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2. August 2008                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Zeitensprünge

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Löschung der frühmittelalterlichen Regenten Spaniens

Die überzähligen Winths, Alfonsos und Abd-er-Rahmans bei Westgoten, Asturiern und Muslimen

von Gunnar Heinsohn (aus Zeitensprünge 01/2005)

„Keine andere vergleichbare Epoche der Geschichte Spaniens ist so reich an radikalen Umwälzungen und so arm an guten Quellen wie die zwei Jahrhunderte vom Ausgang der Regierung des Westgotenkönigs Wamba (672-680) bis zu den Kriegen Alfons’ III. [des Großen] von Asturien-León (866-910)“ [Prelog 1980, S. III].

I. Die Vernichtung des iberischen Reiches der Westgoten durch ihre muslimischen und asturischen Erben und das Fehlen von drei Jahrhunderten in Toledo

Das eigentliche Spaniertum – unterschieden von Römertum, Westgotentum und Arabertum – sei in Asturien entstanden. Dieser Urgrund aller spanischen Dynastien habe nur 11 Jahre nach einem arabischen Eroberungszug gegen das Reich des Westgoten und nur acht Jahre nach dem Tod ihres letzten Königs, Agila II. (711–714), seine ungemein vitale Existenz begonnen.

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Ein Kommentar zu “Löschung der frühmittelalterlichen Regenten Spaniens”
1
Wilhelm hilgarth | Michelvainfilm sagt:
29. August 2011 um 02:02

[…] Fantomzeit – Dunkelheit oder Leere im frühen Mittelalter … […]

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2. Februar 2008                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Danzig und die rätselhafte frühmittelalterliche Chronologielücke des Weichseldeltas

von Gunnar Heinsohn (aus Zeitensprünge 3/2001)

I. Welthistorische Bedeutung der Weichselmündung

Was die Schelde- und später die Rheinmündung für den Überseeverkehr Westeuropas war und ungebrochen ist, das war – ohne es heute noch zu sein – die Weichselmündung für Osteuropa. Um 1650 ist der Weichselmündungshafen Danzig mit ca. 77.000 Menschen (Schätzungen reichen bis 100.000) – vor Wien, Augsburg, Köln und Hamburg – die volkreichste Stadt mit einer deutschen Einwohnerschaft. So ist es kein Zufall, dass St. Marien – eine der dreizehn gotischen Kirchen Danzigs – im 15. Jh. zur weltweit größten Hallenkathedrale aus Backstein ausgebaut wird (105,5 m lang und im Querschiff 60 m breit). In ihr finden 25.000 Personen Platz.

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3 Kommentare zu “Danzig und die rätselhafte frühmittelalterliche Chronologielücke des Weichseldeltas”
1
haj sagt:
8. Februar 2008 um 18:40

Danzig im Mittelalter

Die Stratigrafie scheint untrügliche Ergebnisse zu liefern: Das Spätere liegt über dem Früheren, das Jüngere über dem Älteren. In Heinsohns Darstellung scheint es zu genügen, 300 Jahre wie ein „Geschwür“ aus der Zeitleiste herauszuoperieren, um die Chronologie zu reparieren.

Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Andere Betrachtungsweisen liefern gänzlich andere Ergebnisse. Dies sei am Beispiel Danzigs demonstriert:

Wer diesen unkaschierten Plan aus dem „Atlas historyczny Polski“ von 1977 unbefangen betrachtet, wird feststellen, dass dies einer der spektakulärsten ist, der überhaupt denkbar ist.

Dargestellt ist ohne Zweifel ein männliches Genital mit der Altstadt (rot) als Hoden, der Rechtstadt (braun) als Glied, der Alten Vorstadt (lila) als Eichel und der Kreuzritterburg (blau) als Schambehaarung.

Es scheint mir undenkbar, dass Christen mit der Bibel in der Hand einen solchen Plan aushecken, denn der Brief an die Römer verbietet es (Kap. 1, 22ff.).

Es scheint mir auch undenkbar, dass Kreuzritter die Mythologie längst vergangener Zeiten im Nahen Osten aufgeschnappt und „heimlich“ – gegen eigene Überzeugungen – in Europa verbreitet haben könnten.

Doch es bedarf m. E. keiner allzu großen Phantasie, um den mythologischen Hintergrund dieses Plans zu erkennen: es kann sich nur um das verlorene Glied des zerstückelten Osiris handeln. Der Plan ist die vergrößerte Hieroglyphe D53 der Gardinerliste.

Um dies aber denkbar zu machen, muss die im 4. Jahrhundert angeblich versiegte Kenntnis der Hieroglyphen in der Stadtgründungszeit akzeptiert werden.

Natürlich ließen sich weitere Beispiele liefern.

2
haj sagt:
4. März 2008 um 21:54

Der Plan von Danzig ist natürlich um 90° nach rechts zu drehen oder von links zu betrachten.

[…] Gunnar Heinsohn: Danzig und die rätselhafte frühmittel­- alter­liche Chronologielücke des Weichseldeltas […]

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12. Januar 2008                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Sizilien und seine frühmittelalterliche Fundlücke

von Gunnar Heinsohn (Zeitensprünge 03/2003)

„Sizilien ist die geschichtlich reichste Insel des an
Geschichte überreichen Mittelmeerraumes” [Rill 2000, 50].

I. Wo sind die Quellen für Sizilien zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert

Aus der Sichtung vor allem arabisch verfasster Schriftstücke und Sagas, deren greifbare Fassungen frühestens aus dem 10. Jh., zumeist jedoch aus noch späterer Zeit stammen, ist nach freimütig eingeräumtem „mühseligem Vergleich“ [Rill 2000, 22] eine Chronologie der schier endlosen islamischen Invasionen Siziliens im 7., 8. 9. und 10. Jh. konstruiert worden. Für Details zog man auch christliche Texte heran. Sie stammen vom Neapolitaner Johannes Diaconus, von Beda Venerabilis sowie aus der Päpstechronik Liber Pontificalis. Diese Päpstereihung [LP 1955] hat als ersten nachweisbaren Autor den für 1133 bezeugten Pandulfus und dann noch einmal den 1178 verstorbenen Boso [Rosenberg 1896], ist also keine Quelle aus dem hier interessierenden Zeitraum des 7. – 9. Jhs. Beda Venerabilis wird zwar auf 672–735 datiert, der mit seinem Namen verbundene Text kann von seinen Inhalten her jedoch frühestens aus dem 11. Jahrhundert stammen [Illig 1999, 122-127] und bietet für die zu untersuchenden Jahrhunderte ebenfalls keine direkten Auskünfte.

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4 Kommentare zu “Sizilien und seine frühmittelalterliche Fundlücke”
1
ao sagt:
12. Januar 2008 um 20:24

Ach hätten Traudl Bünger und Roger Willemsen doch nur ein bisschen besser für ihre “Weltgeschichte der Lüge” recherchiert … dann wäre aus Heribert nicht Herbert geworden, der Doktor der Germanistik wäre nicht durchgerutscht und vielleicht hätte man nun nicht gerade Sizilien als Gegenbeispiel zur Fantomzeitthese gewählt …

2
neukum sagt:
26. Januar 2008 um 11:30

Die Chronologie der arabischen Eroberung Siziliens ist ein guter Beleg für die (297 Jahre)Fantomzeithypothese. Dies gilt auch für die Historie der “arabischen” Eroberung der iberischen Halbinsel, die m.E. eine mit im wesentlichen mauretanisch-berberischer Hilfe unternommene Invasion u. Erhebung der seit Rekkared unterdrückten u. vertriebenen arianisch gebliebenen Goten war. Der Norden u. Osten der Halbinsel blieb unerobert, weil Sweben u. autochthone Kantabrer/Basken eben gerade keine Arianer waren u. deshalb sich dieser Invasion nicht anschlossen.

[…] Gunnar Heinsohn: Sizilien und seine frühmittelalterliche Fundlücke […]

[…] frühmittelalterliche Fundarmut Gunnar Heinsohn so nachdrücklich in Erinnerung gebracht hat (Sizilien und seine frühmittelalterliche Fundlücke). Pausenlos wurde Korsika von den Sarazenen angegriffen, jahrhundertelang gegen sie verteidigt. […]

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31. August 2007                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Zeitensprünge

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St. Pantaleon – vier Rekorde fürs Guinness. Sven Schütte als karolingischer Lückenbüßer

Eine Kritik durch Heribert Illig  (aus Zeitensprünge 2/2007)

Vorspiel

St. Pantaleon gehört zu den 29 romanischen Kirchen Kölns, die von dem zuständigen Förderverein betreut werden. Sie bekam nun ein eigenes Buch aus der Reihe Colonia romanica zugeeignet, dem wir uns im Weiteren zuwenden wollen. Das zugehörige Klostergebäude wurde von der Forschergruppe nicht behandelt, aber Fried Mühlberg bemerkt als einstiger Kölner Stadtkonservator in seinem Eröffnungsbeitrag:

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2 Kommentare zu “St. Pantaleon – vier Rekorde fürs Guinness. Sven Schütte als karolingischer Lückenbüßer”

[…] H. Illig: St. Pantaleon – vier Rekorde fürs Guinness. Sven Schütte als karolingischer Lückenbüßer […]

[…] der selbst dem wissenschaftlichen Ruf der Stadt Köln zu schaden droht – erinnert sei an seine willkürlichen Veralterungen bei St. Pantaleon, bei Synagoge und Mikwe. Aktuell wird ihm […]

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3. Mai 2007                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Frühmittelalter, Zeitensprünge

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Arno Borst, 8.5.1925 – 24.4.2007

von Heribert Illig

Fraglos ist mit Arno Borst ein Ausnahme-Gelehrter verstorben, darin durchaus mit dem jüngst verstorbenen Carl-Friedrich von Weizsäcker zu vergleichen. Während dieser Philosophie, Friedensforschung und Physik verband, beschäftigte Borst nicht nur die Mediävistik in ihrer ganzen Bandbreite über 1.000 Jahre, sondern genauso die Antike, die Linguistik oder Kalenderwesen und Komputistik.

Ihm gelang es, auch breitere Leserkreise für sein Forschungsgebiet anzusprechen, indem er Querschnitte durch das Mittelalter legte: 1973 mit „Lebensformen im Mittelalter“, 1988 mit „Barbaren, Ketzer und Artisten“, das heuer noch eine preisgünstige Neuauflage unter dem Titel „Die Welt des Mittelalters“ erlebt hat.

Am liebsten suchte er die Kontinuität. In seiner Doktorarbeit von 1953, die immer noch im Buchhandel erhältlich ist, ging er nicht nur den Katharern nach, sondern der Ketzergeschichte von der Antike bis weit ins Mittelalter. Als er nach Konstanz berufen wurde beschäftigte ihn das Mönchswesen am Bodensee und besonders auf der Reichenau. Dann wieder ging er der Rezeptionsgeschichte des Buches der Naturgeschichte von Plinius nach.

Doch spätestens seit 1988 legte er den Schwerpunkt auf das Kalenderwesen, auf die Osterrechnung, auf die Komputistik. Es gelang ihm, nach fast dreißig Jahren den selbstgesteckten Rahmen auszufüllen, indem er letztes Jahr die monumentale, dreibändige Ausgabe der „Schriften zur Komputistik im Frankenreich von 721 bis 818“ abschließen konnte. Doch ist er hier bislang eher Spezialist für ein mühseliges Fachgebiet geblieben, dem die Kollegen nur wenig abgewinnen konnten.

Aus Sicht der Fantomzeitthese sind aber gerade diese seine Arbeiten von höchstem Interesse. Es ist deshalb vielleicht kein Zufall, dass am 30.3., also kurz vor seinem Tod, eine längere Analyse abgeschlossen wurde. Sie ist mittlerweile in den „Zeitensprüngen“ erschienen und wird hier wiedergegeben.
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13 Kommentare zu “Arno Borst, 8.5.1925 – 24.4.2007”
1
University Update sagt:
3. Mai 2007 um 20:42

Arno Borst, 8.5.1925 – 24.4.2007…

2
Ulrich Voigt sagt:
4. Mai 2007 um 12:35

Kritik an Voigt

Illig S. 170: “Da muss es einmal mehr verwundern, wie Voigt [2005, 445] davon sprechen kann, dass alle Ostertafeln im schönsten Einklang stünden.”

Es muss deshalb verwundern, weil Borst S. 88 über einen Schreiber aus der Zeit um 800 schreibt: „Er stand aber ratlos vor dem Chaos der Ostertafeln, das sich seit einem halben Jahrtausend angehäuft hatte“.

Ich darf das noch ergänzen durch Borst S. 1054, wo es über den Urheber der Aachener Enzyklopädie von 809 (= Lib. comp.) heißt:

“Der Urheber dieses einzigartigen Werkes war aller Wahrscheinlichkeit nach niemand anders als Karl der Große. Er muß ein Machtwort gesprochen und zahlreiche Gelehrte zur Zusammenarbeit gezwungen haben, zum ertsen Teamwork der europäischen Wissenschaftsgeschichte, damit sie dem Wirrwarr komputistischer Schriften ein für allemal ein Ende machten.”

Also haben wir “Chaos” und “Wirrwar” (Borst) auf der einen, “stimmiges Geflecht” (Voigt) und “ziemlich strenge Gesetzmäßigkeit” (Strobel) auf der anderen Seite.

Schaut man genauer hin, so wird die Sache etwas weniger merkwürdig. Ausdrücklich schreiben Strobel / Voigt nur über die spätantike Komputistik, für sie bilden also Dionysius Exiguus und “Ravenna” den Endpunkt. Ausdrücklich schreibt Borst über den Eindruck, den man im Mittelalter von dem Haufen angesammelter Ostertafeln haben musste.

Ich behaupte, dass wesentliche Grundlagen der spätantiken Komputistik bereits von Beda Venerabilis nicht mehr verstanden wurden; spätantike und mittelalterliche Ostertafeln unterscheiden sich qualitativ und die Thesen bzw. Erkenntnisse von Strobel / Voigt haben für das mittelalterliche Material daher keine Gültigkeit.

Wir stehen also keineswegs vor einem Widerspruch, sondern nur vor einer Denkwürdigkeit.

Strobel (1984 S.146):
“Die Geschichte der altkirchlichen Osterkomputation stellt sich für den heutige Betrachter als eine weitgehend wirre und undurchsichtige Angelegenheit dar. Ein solcher Eindruck täuscht.”

3
Ulrich Voigt sagt:
4. Mai 2007 um 13:48

Kritik an Voigt

Selbst sein [die Rede ist von Dionysius Exiguus] 532-jähriger Osterzyklus ist keine Übernahme aus der Antike, ungeachtet dessen, dass die Zahl als solche im Pantheon ablesbar ist [Voigt 2005, 453]. Er trat überraschenderweise eher per Zufall ans Licht, wie Olaf Pedersen [1983] als Chefastronom des Vatikans 1982 ausgeführt hat.”

Pedersen wusste nichts von der 532 im Pantheon, auf die überhaupt erst Sperling 1999 hingewiesen hat und deren komputistische Bedeutung erst ich 2005 behauptet habe.

Welchen Sinn kann es also haben, Pederson gegen Voigt ins Feld zu führen?

4
jb sagt:
5. Mai 2007 um 08:47

Ulrich Voigt am 4. Mai 2007 um 12:35:
Also haben wir “Chaos” und “Wirrwar” (Borst) auf der einen, “stimmiges Geflecht” (Voigt) und “ziemlich strenge Gesetzmäßigkeit” (Strobel) auf der anderen Seite.

Zum besseren Verständnis dieser und anderer Bemerkungen Voigts und insbesondere auch zur Bedeutung Strobels sei auf die längere Auseinandersetzung zwischen Voigt und mir verwiesen, die gerade im Anschluss an Illigs Beitrag „297 Jahre“ läuft (http://www.fantomzeit.de/?p=85#comments). Dort finden sich auch weitere (leider allesamt abfällige) Kommentare von Voigt zu Borst und Illig.

5
Ulrich Voigt sagt:
5. Mai 2007 um 09:10

jb: “Dort finden sich auch weitere (leider allesamt abfällige) Kommentare von Voigt zu Borst und Illig.”

Entschuldigung, ich schreibe überhaupt nie abfällig, sondern immer nur sachlich. Ich muss aber auch nicht alles, was derweil hoch im Kurs steht, gleichmäßig bewundern und loben, sondern habe das Recht, in meinem Urteil von üblicher Panegyrik abzuweichen.
Wenn man meine Kommentare für sachlich verfehlt hält, so mag man bitte auf die Argumente eingehen, die ich vorbringe!

6
Ulrich Voigt sagt:
5. Mai 2007 um 14:25

Olaf Pedersen (1982)= Charles W. Jones (1943)

Pedersen folgt in seiner Einschätzung des Victorius dem englischen Philologen und Historiker Charles W. Jones (1943), der in der Tat einen beachtlichen Einfluss auf das allgemeine Meinungsbild hatte:
Charles W. Jones, Vorwort zu ders. (ed.), Beda Venerabilis, de temporum ratione, Cambridge 1943.

Jones bezweifelte nicht nur, dass Victorius in der Lage war, die Bedeutung des Produkts 28 x 19 zu durchschauen, er bezweifelte dies auch für Dionysius Exiguus. Wie anders könnte man auch erklären, dass weder der eine noch der andere dieses Produkt erwähnt hat, dass Dionysius Exiguus sich vielmehr auf die Frage beschränkte, wie man von einer 95jährigen Tafel zur nächsten weiterrechnen könne. Wie anders könnte man es erklären, dass Dionysius Exiguus trotz bereits vorliegender 532jähriger Tafel des Victorius gleichwohl bei der 95jährigen Tafel der Alexandriner blieb, die doch bekanntlich gar keinen wirklichen Zyklus bildet? Und dass er in seinem mathematischen Kommentar zu seiner Ostertafel die Zahl 532 nicht einmal erwähnt? Nein, zu jener Zeit war man noch so unkundig, wie man es sich heute nur mit Mühe vorstellen kann! Man tappte im Halbdunklen, stieß wohl zufällig (Victorius!) schon auf den großen 532jährigen Osterzyklus, merkte aber gar nicht richtig, was man damit in der Hand hatte. Wie anders sieht das Bild doch bei unserem Beda Venerabilis aus, der kurz und knapp die Bedeutung des Produkts 28 x 19 darlegt und über die 95jährige Ostertafel kein Wort mehr verliert.
So etwa überlegte Jones (1943), und in seinem Gefolge hielt dann mancher Historiker die Tatsache, dass Dionysius Exiguus seine Ostertafel (und seine Jahreszählung) just mit dem Jahr 532 post incarnationem domini nostri Iesu Christi begann, für einen Zufall. Zufällig sei diese Zahl herausgekommen bei dem Versuch, das Geburtsjahr Christi zu ertüfteln. Und wenn Gustave Oppert (Über die Entstehung der Ära Dionysiana, in: Verhandl. D. Berl. Anthropol. Ges., 1900, 102–136) die Ansicht vertrat, Dionysius Exiguus habe seine Jahreszählung durch Auslegung des 532jährigen Zyklus überhaupt erst gewonnen, so ist Oppert naiv. Er überträgt modernes mathematisches Verständnis unbesehen in die spätrömische Vergangenheit.

Jones gehört natürlich in die Reihe derer, die sich die Entwicklung der frühchristlichen Osterkomputation als langen und leidvollen Weg vorstellen, der aus den stümperhaften Anfängen 8jähriger Mondtafeln und 84jähriger und 112jähriger Ostertafeln der Römer über die 95jährige Tafel der Alexandriner endlich zum glanzvollen Höhepunkt der 532jährigen Tafel des Beda Venerabilis geführt hat.
Jones hatte nicht die geringste Ahnung davon, wie sehr sein Forschungsergebnis durch ein “evolutionistisches” Dogma determiniert war. Und es machte ihm (und seinen Schülern bzw. Anhängern) wenig aus, dass die Vorstellung, die christlichen Komputisten hätten ein halbes Jahrtausend gebraucht, um endlich die Gleichung 532 = 28 x 19 zu begreifen, eine abenteuerliche ist. Und abenteuerlich bleibt diese Vorstellung übrigens auch dann noch, wenn wir eine 300jährige Phantomzeit herausnehmen.

7
jb sagt:
6. Mai 2007 um 13:10

Ulrich Voigt:
Entschuldigung, ich schreibe überhaupt nie abfällig, sondern immer nur sachlich. Ich muss aber auch nicht alles, was derweil hoch im Kurs steht, gleichmäßig bewundern und loben, sondern habe das Recht, in meinem Urteil von üblicher Panegyrik abzuweichen.
Wenn man meine Kommentare für sachlich verfehlt hält, so mag man bitte auf die Argumente eingehen, die ich vorbringe!

Eine Antwort findet sich unter http://www.fantomzeit.de/?p=85#comments.

8
timeslip sagt:
8. Mai 2007 um 10:40

Richtig;
“existieren 198 Jahre überflüssige…” (statt 1198)

9
admin sagt:
8. Mai 2007 um 11:10

Diesen letzten Kommentar verstehe ich nicht. Worauf bezieht er sich?

[…] Illig, H.: Karolingische Komputistik? Zu Beda und Borst, Bischoff, Theophanes und Isidor […]

11
timeslip sagt:
14. Mai 2007 um 15:19

“admin sagt: Worauf bezieht er sich?”

EINFÜHRUNG

Der “Hungarische Kalender” ist eine Art der Zeitrechnung – bis zur offiziellen Anerkenntnis eine Hypothese – nach der der Julianische Kalender im Jahre 154 nach unserer Zeitrechnung (n.u.Z.) durch Julius Cäsar eingeführt wurde. Der hierfür offiziell anerkannte, in breiten Kreisen unterrichtete Zeitpunkt ist das Jahr 45 vor Christus (BC).

Die einzige Möglichkeit diese Differenz zu erklären ist: es existieren (1)198 Jahre überflüssige Geschichte, oder etwas drastischer ausgedrückt, wir haben 198 Jahre “erfundene Geschichte” auf unserer astronomischen Zeitachse. Lassen Sie mich betonen, dass sich Schüler heutzutage ca. 200 Jahre erfundene Geschichte einprägen müssen, da sie ein Bestandteil des Lehrplans während der Schulpflicht ist.
Im “Hungarischen Kalender” ist das Jahr 154 n.u.Z. als Startpunkt für den Julianischen Kalender durch eine einfache Zurückrechnung der Primär-Äquinoktien (Frühlings-Tagundnachtgleichen) gegeben und die “Neue Chronologie” wird durch historische Sonnenfinsternisse untermauert.

[…] Heribert Illig, Arno Borst, 8.5.1925 – 24.4.2007, http://www.fantomzeit.de/?p=136 […]

[…] Heribert Illig (2007): Karolingische Komputistik? Zu Beda und Borst, Bischoff, Theophanes und Isidor. In: ZS 1/2007, 156-184. Der Artikel wurde aufgenommen in: Arno Borst, 8.5.1925 – 24.4.2007. http://www.fantomzeit.de/?p=136 […]

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8. Dezember 2006                     Kategorie(n):

eingestellt von: jb

FAQ

30 Fragen zur Fantomzeittheorie

von Jan Beaufort (Würzburg)

[aktualisierte Fassung vom 26.01.2009]

 

Inhalt

1. Was will die Chronologie?

2. Was leistet ein Kalender?

3. Was ist eine Jahrrechnung?

4. Was sind relative und absolute Chronologien?

5. Was sind BP-Datierungen?

6. Welche chronologiekritischen Ansätze gibt es?

7. Wer ist Heribert Illig?

8. Wer war Immanuel Velikovsky?

9. Was will die Fantomzeittheorie (FZT)?

10. Wie kommt Illig zu seiner sowohl für Laien als auch für Fachleute befremdlichen These einer frühmittelalterlichen Fantomzeit (FZ)?

11. Warum setzt Illig die Länge der mittelalterlichen FZ in einer ersten Annäherung auf circa 300 Jahre an?

12. Warum grenzt Illig die FZ in einem zweiten Schritt auf die Jahre zwischen 614 und 911 n. Chr. ein?

13. Lässt sich Karl der Große denn so einfach aus der Geschichte streichen?

14. Sind künstliche Chronologieverlängerungen ein dem Historiker völlig unbekanntes Phänomen?

15. Behauptet die FZT, dass die künstliche Chronologieverlängerung des Mittelalters das Produkt einer weltweiten Verschwörung sei?

16. Wie kam denn gemäß der FZT die künstliche Chronologieverlängerung des Mittelalters in die Welt?

17. Ist die Annahme, Konstantin VII. Porphyrogennetos sei der Urheber einer künstlichen Chronologieverlängerung, begründet?

18. Ist es vorstellbar, dass eine gefälschte mittelalterliche Chronik am Ursprung eines unerkannten Kalenderfehlers steht, der heute in allen Geschichtsbüchern und Kalendern der Welt enthalten ist?

19. Beweist nicht die Geschichtsschreibung der arabischen Welt den Irrtum der FZT?

20. Beginnt die islamische Zeitrechnung denn nicht im Jahre 622 n. Chr. mit der Flucht des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina?

21. Aber selbst wenn wir einmal versuchsweise annehmen, dass eine Zeitfälschung im von Illig vermuteten Umfang möglich war, was könnte denn das Motiv gewesen sein?

22. Aber auch wenn es im islamischen Bereich gute Gründe für eine Zeitfälschung gegeben haben mag, die Frage bleibt: Welches Motiv hatte der Ersterfinder der FZ?

23. Wurde unsere christliche Zeitrechnung denn nicht im 6. Jh. von Dionysius Exiguus begründet?

24. Wie steht es mit dem Rest der Welt? Es gibt doch nicht überall dunkle Jahrhunderte?

25. Lässt sich die FZT nicht mit Hilfe von computergestützten astronomischen Retrokalkulationen widerlegen?

26. Beweisen nicht naturwissenschaftliche Datierungsverfahren wie C14 und Dendrochronologie den Widersinn der FZT?

27. Müsste die gewaltige, von der FZT postulierte Zeitfälschung nicht überall Spuren hinterlassen haben?

28. Gibt es denn wirklich nirgendwo Spuren mehr von der “größten Zeitfälschung der Geschichte” (Illig)? Das wäre doch kaum vorstellbar?

29. Soll denn nie jemand den Betrug gemerkt haben? Durch die FZ wurden doch Genealogien oder gar Biographien von Einzelpersonen auseinander gerissen – das muss doch irgendjemandem aufgefallen sein?

30. Letzte Frage: Wurde denn im Mittelalter wirklich soviel gefälscht, oder behaupten das nur die Vertreter der FZT? Und ist es eigentlich nicht fast ausgeschlossen, dass sämtliche Schriften der Karolingerzeit gefälscht wurden?

Literatur

1. Was will die Chronologie?

Die Chronologie ist eine Wissenschaft, die untersucht, wie die Völker dieser Erde die Zeit einteilen und messen bzw. eingeteilt und gemessen haben. Weiter untersucht sie, wie diese Einteilung zu jeweils unterschiedlichen Zwecken am sinnvollsten vorzunehmen ist. [Ideler I 5 f.]

Die mathematisch-astronomischen Grundlagen der Zeitrechung sind Gegenstand der Astronomischen Chronologie. Ihre Anwendung durch den Menschen in verschiedenen Kulturen und geschichtlichen Perioden untersucht die Historische Chronologie. Die Historische Chronologie ist eine historische Hilfswissenschaft. [von Brandt 30]

Die Chronologie unterscheidet drei Zeitordnungen:

  • eine natürliche, kosmische Zeitordnung: Tag und Nacht, Mondmonat, Sonnenjahr
  • zwei künstliche Ordnungen:

    (a) eine zyklische: den Kalender (Zeitweiser durch das Jahr) [siehe Frage 2]

    (b) eine lineare: die Ära (Jahrrechnung), zählt Kalenderjahre [siehe Frage 3]

Kosmische Bewegungen und Rhythmen bilden eine natürliche Zeitstruktur, die zur Grundlage für zwei künstliche Ordnungen wird. Wir könnten diese künstlichen Ordnungen beide als “kalendarische” oder “Kalenderordnungen” bezeichnen. Kalender im eigentlichen Sinn ist aber die Ordnung des Jahres, die periodisch wiederkehrt und deshalb eine zyklische ist. Die zweite, lineare Ordnung wird Jahrrechnung oder Ära genannt.

2. Was leistet ein Kalender?

Das Wort “Kalender” kommt vom lateinischen calendarium und bezeichnete ursprünglich ein römisches Zinsbuch, das sich nach den Monatsanfängen (calendis) richtete. Ein Kalender konstruiert auf der Grundlage der kosmischen Ordnung eine künstliche zyklische Zeitstruktur. Diese setzt zwar an natürlichen Gegebenheiten wie Tag, Mondmonat und Sonnenjahr an, bringt sie aber in eine Ordnung, die von der natürlichen Ordnung häufig abweicht oder in ihr zumindest keine Entsprechung mehr hat. Durch diese Abweichung wird sie aber für gesellschaftliche und insbesondere auch religiöse Zwecke gerade erst brauchbar.

So zählt das künstliche Jahr mal 365, mal 366 Tage – obwohl sich die Länge des astronomischen Sonnenjahres nicht verändert. Unser künstlicher Monat hat sich vom natürlichen Mondzyklus gelöst und ist im Durchschnitt um etwa einen Tag länger als die Dauer eines Mondumlaufs. Die 7-Tage-Woche entspricht annähernd – aber eben nur annähernd – dem Viertelteil eines Mondumlaufs. Der Tag gliedert sich in die künstlichen Einheiten Stunde, Minute und Sekunde, die man in der Natur vergeblich sucht.

Zum Kalender in diesem engeren Sinn einer zyklischen Ordnung ist noch zu sagen, dass er die Grundlage des religiösen Festkalenders bildet. Weihnachts- und Osterzyklus richten sich nach Prinzipien des Sonnen- bzw. des mit ihm verrechneten Mondkalenders. Es war die allmähliche Verschiebung des kalendarischen Osterfestdatums zum Sommer hin, die letztlich zur gregorianischen Kalenderreform führte. [siehe zur Kalenderreform Frage 11]

3. Was ist eine Jahrrechnung?

Vom Kalender als zyklischer Struktur lässt sich die Jahrrechnung als lineares Ordnungsprinzip abheben. Eine Jahrrechnung (auch Ära, Zeitrechnung, Chronologie) ist eine lineare Ordnung, die von einem bestimmten, willkürlich als Anfang gesetzten Zeitpunkt an die Jahre vorwärts oder rückwärts zählt. In unserer christlichen Jahrrechnung wird als jener Nullpunkt die Geburt Christi angenommen. Das Jahr Null selbst fehlt dabei, weil die Zahl Null der Antike noch nicht bekannt war. Auf das Jahr 1 vor Christus folgt also unmittelbar das Jahr 1 nach Christus.

Man könnte zunächst meinen, die Jahreszählung bilde eigentlich gar keine künstliche Ordnung, denn sie zähle ja nur die Erdumläufe um die Sonne. Die Sonnenumdrehung der Erde ist ein natürlicher Vorgang, folglich auch die Anzahl dieser Umdrehungen. Wenn wir Jahre zählen, würden wir also nichts anderes tun, als wenn wir etwa die Jahrringe eines gefällten Baumes zählen: Wir hielten einen in der Natur vorgefundenen Sachverhalt fest. Nur: so einfach liegen die Dinge nicht. Wir finden zum Beispiel bei den alten Ägyptern einen Kalender, der für das Sonnenjahr genau 365 Tage (ohne Schaltjahr) ansetzt. Weil dieses Jahr um einen Vierteltag zu kurz ist, verschiebt sich das ägyptische Jahr allmählich gegenüber dem astronomischen Sonnenjahr. Noch stärkere Verschiebungen ergeben sich bei der islamischen Jahrrechnung, weil der islamische Kalender das Sonnenjahr nicht kennt. Das islamische Jahr hat die Länge von genau 12 Mondmonaten und ist damit ca. 11 Tage kürzer als unser Sonnenjahr. [siehe zur islamischen Zeitrechung auch Frage 4, 20, 28 und 29]

Diese Beispiele zeigen, dass eine Jahrrechung nicht ohne weiteres astronomische Vorgänge ordnet, sondern zuallererst Kalenderjahre. Sie setzt folglich den Kalender – jene künstliche zyklische Ordnung – voraus und ist selbst eine künstliche Ordnung, ein Konstrukt. Dieser Umstand erhellt auch daraus, dass die Einführung einer Jahrrechnung gewöhnlich nicht zu astronomischen Zwecken geschah. Jahrrechnungen wurden eingeführt, um historisch bedeutsame Ereignisse erinnern und zuordnen zu können. Mit deren Zusammenfassung zu einer chronologisch geordneten Geschichte wurden häufig politische oder religiöse Zwecke verfolgt.

Die Chronologiekritik, um die es im Folgenden gehen wird, ist vor allem eine Kritik der verschiedenen Jahrrechnungen – die christliche eingeschlossen.

4. Was sind relative und absolute Chronologien?

Die wohl älteste und verbreitetste Form, wichtige Ereignisse im Kollektivgedächtnis zu fixieren, ist die Zuordnung zu Herrscherjahren. “Im 5. Jahr des Pharaos Amenophis”, “im 10. Jahr des Großkönigs Xerxes”, “im achtzehnten Jahr des Jerobeam” (2 Chr. 13, 1) heißt es etwa in den Quellen. In Lukas 3, 1-2 lesen wir: “In dem fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, da Pontius Pilatus Landpfleger in Judäa war und Herodes Vierfürst in Galiläa und sein Bruder Philippus Vierfürst in Ituräa und in der Landschaft Trachonitis und Lysanias Vierfürst zu Abilene, da Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah der Befehl Gottes an Johannes, des Zacharias Sohn, in der Wüste.”

Solche Berichte, wann und von wem auch immer geschrieben, ob real oder fiktiv, ermöglichen die zeitliche Einordnung der beschriebenen Ereignisse relativ zu einem oder mehreren Herrschern. Sie ermöglichen damit die Erstellung so genannter relativer Chronologien. Solche relative Herrscherchronologien lassen sich erweitern, indem wir etwa mit Hilfe von Königslisten oder anderen Dokumenten und Monumenten die Abfolge der einzelnen Herrscher rekonstruieren können.

Von einer absoluten Chronologie sprechen wir, wenn ein einziger Ausgangspunkt der Zählung durchgehend beibehalten wird. Unsere christliche Jahrrechnung ist eine solche absolute Chronologie. [siehe zur Einführung der christlichen Zeitrechung Frage 22 und 23] Ebenso die islamische Zeitrechnung, die ab dem Jahr der Flucht des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina zählt: Diese so genannte hidschra wird auf das Jahr 622 n. Chr. datiert. [siehe zur hidschra Frage 20]

Weitere bedeutende Beispiele sind die in der Antike häufig verwendete Seleukidenära ab dem Jahr 312 v. Chr. und die alte römische Jahrrechnung ab urbe condita, also ab der mythischen Gründung der Stadt Rom im Jahre 753 v. Chr. Dann die seit Diokletian geläufige Diokletiansära ab 284 n. Chr., die sich bei frühchristlichen Autoren findet und noch heute in der koptischen Kirche in Gebrauch ist. [siehe zur Diokletiansära Frage 23] Wichtig sind auch die vielen von jüdischen, frühchristlichen und byzantinischen Autoren verwendeten Weltären, die von einem angenommen Zeitpunkt der Schöpfung der Welt an rechnen. In einer der frühchristlichen Weltären – es gibt da mehrere, die hier gemeinte findet sich u. a. bei Eusebius und Orosius – wird die Geburt Christi auf das Jahr 5199 ab Schöpfung datiert. [Ideler II 430, WU 134 f.]

Eine alte, zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzte Zeitrechnung ist die in Claudius Ptolemäus’ Almagest verwendete Ära Nabonassar ab 747 v. Chr.

Neben diesen konventionellen absoluten Chronologien ist als neue, naturwissenschaftliche Datierungsmethode die sogenannte BP-Datierung zu erwähnen. Sie konstruiert eine absolute Chronologie, die vom Jahr 1950 an rückwärts zählt. [siehe zu dieser Datierungsmethode Frage 5]

Wenn es im Folgenden um mögliche Fehler der überlieferten Zeitrechnung geht, ist es nicht zuletzt das komplizierte Zusammenspiel dieser relativen und absoluten Chronologien, das in den Blickpunkt geraten wird.

5. Was sind BP-Datierungen?

BP bedeutet before present. Es handelt sich hier um eine Datierungsmethode, die im Rahmen naturwissenschaftlicher Datierungsverfahren (wie C14 und Dendrochronologie [siehe Frage 26]) verwendet wird. Die BP-Skala rechnet vom Jahr 1950 an rückwärts. So entspricht etwa das Jahr 1500 n. Chr. dem Jahr 450 BP.

Die Vorteile der BP-Datierung für die Wissenschaft liegen auf der Hand. Naturwissenschaftliche Datierungsmethoden wie etwa das Radiokarbonverfahren ergeben zunächst nur BP-Daten. Das Gleiche gilt für retrokalkulierte astronomische Ereignisse. Ihre Zuordnung zu AD-Datierungen ist wissenschaftlich gesehen ein weiterer, eigens zu legitimierender Schritt.

In Abweichung von der traditionellen Zuordnung von BP- und AD-Datierungen impliziert die von Heribert Illig entwickelte Fantomzeittheorie [siehe Frage 7 und 9 ff.] die Gleichsetzung 614 AD = 911 AD = 1039 BP. Folglich gilt weiter 613 AD = 1040 BP, 590 AD (Sonnenfinsternis des Gregor von Tours [siehe Frage 12]) = 1063 BP, 1 AD = 1652 BP, 1 v. Chr. (= Geburtsjahr Christi) = 1653 BP.

6. Welche chronologiekritischen Ansätze gibt es?

Es gibt mehrere chronologiekritische Ansätze, was den Eindruck erweckt, dass hier eine gewisse Beliebigkeit vorherrscht. Diese Beliebigkeit mag ein Grund dafür sein, dass Historiker sich nur ungern mit der neueren Chronologiekritik auseinandersetzen. Sie vergessen dabei, dass der Einwand der Beliebigkeit auch gegen konventionelle Chronologien geltend gemacht werden kann. [siehe Frage 14] Sowohl bei traditionellen als auch bei alternativen Ansätzen verlaufen die Grenzen zwischen Wissenschaft und Glauben oft fließend.

Hier können nur die wichtigsten kritischen Rekonstruktionsversuche kurz angesprochen werden. Folgende Ansätze lassen sich unterscheiden:

  • (a) Erstens die konventionelle Chronologiekritik. Sie bewegt sich im konventionellen Rahmen. [siehe für Beispiele Frage 14]
  • (b) Dann der Ansatz von Immanuel Velikovsky. Velikovskys Kritik richtet sich gegen die aus seiner Sicht zu lange Zeitachse der Ägyptologie. Diese fundiere irrigerweise die Chronologie der gesamten Alten Geschichte. Als Alternative schlägt Velikovsky eine Chronologie vor, die sich an der Bibel und an einer von ägyptologischen Vorurteilen freien Archäologie orientiert. [siehe Frage 8]
  • (c) Drittens die Rekonstruktion der Alten Geschichte durch Heinsohn und Illig. Gunnar Heinsohn, Heribert Illig und mehrere Mitglieder der Illig-Gruppe folgen Velikovskys chronologiekritischem Ansatz, geben aber seinen “Bibelfundamentalismus” auf. [vgl. Heinsohns Assyrerkönige gleich Perserherrscher!, Gräfelfing 1996, Heinsohn und Illigs Wann lebten die Pharaonen?, Gräfelfing 1997 und die Artikelserien zur Alten Geschichte von u. a. Heinsohn, Illig, Weißgerber und Zeller in der Zeitschrift Zeitensprünge]
  • (d) Viertens die Fantomtzeittheorie (FZT) des Heribert Illig. Velikovskys Chronologiekritik bezog sich auf die Geschichte des Altertums. Velikovsky-Schüler erkannten, dass auch die nachchristliche Ära einer kritischen Überprüfung bedarf. Die Kritik ging in zwei Richtungen. Einmal führte sie bei Heribert Illig zur Formulierung der FZT. [siehe Frage 7 und Frage 9 ff.] Zum anderen stellte Christoph Marx die These vom “Letzten Großen Ruck” auf. [siehe Punkt (g)]
  • (e) Die Theorie des Anatolij Fomenko. Der russische Mathematiker Fomenko kam aufgrund statistischer Untersuchungen des Almagest von Claudius Ptolemäus zum Ergebnis, dass dieses Werk ab dem 10. Jh. n. Chr. entstanden sein muss. Der Beginn der von Ptolemäus verwendeten Ära Nabonassar [siehe Frage 4] verlegte er auf das Ende des 5. Jh. n. Chr. Entsprechend sei die gesamte Geschichte des Altertums um mindestens tausend Jahre zu verschieben. Dessen konventionell erzählte Geschichte sei eine Erfindung der Neuzeit. Durch statistische Analyse von Texten könne die wirkliche Geschichte teilweise rekonstruiert werden. [siehe Fomenkos Hauptwerk Empirico-Statistical Analysis of Narrative Material and its Applications to Historical Dating, Dordrecht u. a. 1994] Zu den Fomenkisten zählen Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow, Dr. Eugen Gabowitsch und Alexander Beierbach. Fomenkos Ansatz wird fortgeführt von Davidenco und Kesler [im Book of Civilization with a Preface by Garry Kasparow, Moskau 2001]. Uwe Topper und Christoph Marx beziehen Fomenkos Kritik und seine Methode der statistischen Textanalyse in ihre Rekonstruktionsversuche mit ein. [siehe Punkt (f) und (g)]
  • (f) Der Ansatz von Uwe Topper. Topper verbindet fomenkistische Überlegungen mit Illigs FZT. Nicht zuletzt durch diese Berücksichtigung der FZT unterscheidet sich Toppers Chronologiekritik erheblich von der des Christoph Marx. [siehe Topper (2000)]
  • (g) Die “Rekonstruktion der Menschheits- und Naturgeschichte” (RMNG) von Christoph Marx. Marx folgt Velikovsky in der Annahme, dass die Verdrängung von menschheitsbedrohenden kosmischen Katastrophen noch in historischer Zeit eine Neuschreibung der Geschichte notwendig mache. [siehe Frage 8] Wie die FZT, Fomenko und Topper geht die RMNG davon aus, dass auch die nachchristliche Chronologie zu überprüfen sei. In konsequenter Weiterführung des Katastrophismus gelangt Marx zur These einer letzten kosmischen Katastrophe im Trecento. Diese habe eine Erdachskippung – den “Letzen Großen Ruck” (LGR) – verursacht und wurde so für das Aus-dem-Ruder-Laufen des julianischen Kalenders [siehe Frage 11] verantwortlich. Illigs FZT sei ein ärgerlicher Irrtum, weil sie mit ihrer Alternativerklärung für den 10-Tage-Fehler des julianischen Kalenders dazu beitrage, den LGR weiterhin erfolgreich zu verdrängen.

7. Wer ist Heribert Illig?

Heribert Illig, geb. 1947, ist promovierter Germanist, Systemanalytiker und Privatgelehrter. Er leitet den Mantis Verlag und ist Herausgeber der Zeitschrift Zeitensprünge (1989 bis 1994 Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart). Verlag und Zeitschrift widmen sich der unter Frage 6 behandelten chronologiekritischen Forschung. Sie konzentrieren sich dabei auf den dort unter Punkt (c) aufgeführten Ansatz von Heinsohn und Illig und auf Illigs Fantomzeittheorie. Ziel dieser Chronologiekritik ist die Freilegung bzw. Rekonstruktion einer hinter überlieferter Geschichte vermuteten verdrängten anderen Geschichte. Die Zeitschrift Zeitensprünge (im Folgenden ZS) ist zugleich das Publikationsorgan einer Gruppe von Wissenschaftlern aus allen Fachrichtungen, die sich mit Chronologiefragen befassen. Zusammen mit Gunnar Heinsohn (Bremen) ist Illig Wortführer dieser Gruppe. Sie steht in einer Tradition, die auf das Wirken Immanuel Velikovskys zurückgeht. [siehe Frage 8]

8. Wer war Immanuel Velikovsky?

Velikovsky (1895-1979) war Arzt und Psychoanalytiker, Schüler von Wilhelm Stekel. Bücher sind u. a. Welten im Zusammenstoß, Erde im Aufruhr, Ödipus und Echnaton und Die Seevölker. Velikovsky ist vor allem durch zwei Thesen bekannt geworden:

  • Erstens war er der Auffassung, dass kosmische Katastrophen noch in historischer Zeit den Lauf der Geschichte entscheidend beeinflusst haben. Aufgrund des Schreckens, den diese Katastrophen verbreiteten, seien sie aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt worden. [siehe auch Frage 6]
  • Zweitens erkannte Velikovsky, dass sogenannte dunkle Jahrhunderte, die sich durch Fund- und Quellenarmut sowie durch fehlende technische und künstlerische Entwicklung auszeichnen, Chronologiefehler anzeigen können. Beispiel: Im alten Griechenland Untergang der minoisch-mykenischen Kultur konventionell ca. 1200 v. Chr. (Zerstörung der Burgen), Aufkommen der antiken Polis aber erst ab ca. 700 v. Chr. Dazwischen dunkle Jahrhunderte, von denen weder die Griechen selbst noch sämtliche Historiker vor dem 20. Jh. etwas wussten. Die Frühdatierung erfolgte aufgrund ägyptischer Funde auf Zypern aus der Zeit des Echnaton (konventionell 14. Jh. v. Chr.). Velikovskys Lösung: Verjüngung der Mykenezeit um 500 Jahre und Umdatierung von Echnaton ins 10. Jh. v. Chr.

Amerikanische und englische Velikovsky-Anhänger sowie das Post-Akademische Forum (PAF) des Velikovsky-Übersetzers Christoph Marx [siehe Frage 6 (g)] befassen sich insbesondere mit Velikovskys Katastrophentheorie. Die Gruppe um Heinsohn und Illig konzentriert sich – heute weitgehend unabhängig von Velikovsky – auf die Chronologieproblematik.

9. Was will die Fantomzeittheorie (FZT)?

Der FZT liegt die These des Heribert Illig zugrunde, nach der das sogenannte dunkle Frühmittelalter ein nur in den Geschichtsbüchern geführter Zeitabschnitt sei, dem keine reale Zeit entspreche. Ereignisse, Personen, gesellschaftliche Entwicklungen, Schriftquellen, Bauten und sonstige materielle Überreste, die dieser Zeit zugeschrieben werden, seien erst nachträglich in sie hineindatiert worden. Die Fantomzeitthese wurde erstmals 1991 in der Zeitschrift Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart formuliert. [Albrecht/Otte] Illig grenzt die Fantomzeit (der Ausdruck stammt von Hans-Ulrich Niemitz) per Arbeitshypothese auf die Jahre zwischen 614 und 911 n. Chr. ein.

Die FZT unternimmt den Versuch, die von der Fantomzeitthese implizierte künstliche Chronologieverlängerung zu erklären und die Vorgänge, die zur Chronologieverlängerung geführt haben, zu rekonstruieren.

10. Wie kommt Illig zu seiner sowohl für Laien als auch für Fachleute befremdlichen These einer frühmittelalterlichen Fantomzeit (FZ)?

Illig war durch seine Beschäftigung mit Velikovsky für Chronologieprobleme sensibilisiert worden. Die Vermutung, auch im dunklen Frühmittelalter könne sich ein Chronologiefehler verstecken, lag vor diesem Hintergrund beinahe auf der Hand. Zwei Beobachtungen verhalfen der FZT zum Durchbruch:

  • Zum einen fiel auf, dass Karl der Große genau am Weihnachtstag des Jahres 800 n. Chr. zum Kaiser gekrönt wurde. Dieses Datum passt derart präzise in ein dem Mittelalter geläufiges geschichtstheologisches Schema, nach dem mit dem Jahr 801 der siebte sogenannte Welttag begann [siehe zu den Weltären Frage 4], dass sich der Gedanke an ein nachträgliches Konstrukt geradezu aufdrängt.
  • Zweitens machte der Mediävist Horst Fuhrmann in seinem Abschlussreferat beim Kongress der MGH über Fälschungen im Mittelalter im Jahre 1986 auf das Phänomen der von ihm als “antizipatorisch” bezeichneten Fälschungen aufmerksam. Antizipatorische Fälschungen sind Fälschungen, die Jahrhunderte vor ihrer politischen oder rechtlichen Wirkung erstellt wurden. Beispiele sind (a) die Sylvesterlegende zur Taufe Konstantins: entstanden im 4. Jh., Wirkung im 8. Jh.; (b) die Symmachianische Fälschung: entstanden um 500, Wirkung im 11. Jh.; (c) die Konstantinische Schenkung: entstanden um 750, Wirkung im 11. Jh.; (d) die Pseudo-Isidorischen Dekretalen: entstanden im 9. Jh., Wirkung im 11. Jh. [Fuhrmann (1986)]

Für das Problem der antizipatorischen Fälschungen hat der traditionelle Historiker keine Lösung. Denn hier bleibt nur die Erklärung, dass in der Mittelaltergeschichte etwas grundlegend durcheinander geraten ist. Zwar hatte der Fälschungskongress der MGH (in sechs Bänden gut dokumentiert [FM]) das massenhafte mittelalterliche Fälschen ins Blickfeld gerückt. [siehe Frage 27 und 30] Die Annahme, auch die Chronologie sei gefälscht worden, war im Grunde nur der nächste Schritt. Dennoch war er – bedingt durch tief eingewurzelte Denkgewohnheiten? – traditionellen Historikern nicht möglich. Der entscheidende Schritt über das konventionelle Mittelalterbild hinaus blieb dem Velikovskyaner Illig vorbehalten.

11. Warum setzt Illig die Länge der mittelalterlichen FZ in einer ersten Annäherung auf circa 300 Jahre an?

Die tieferliegenden Gründe hierfür entnimmt Illig der Geschichtsschreibung, Archäologie und Architekturgeschichte des Frühmittelalters. [siehe Frage 10, 12, 13, 16, 17, 21, 23, 24, 28 und 30]

Eine wichtige Bestätigung für die vorläufig angenommene Länge von ca. 300 Jahren fand Illig, als er die Voraussetzungen der gregorianischen Kalenderreform überprüfte. Der julianische Kalender war bekanntlich zu langsam, die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche verschob sich im Kalender regelmäßig rückwärts, im 16. Jh. ereignete sie sich um den 10. März herum.

Gregors Reform bestand im wesentlichen in zwei Korrekturen. Zum einen beschleunigte sie den Kalender, indem sie Schaltjahre ausließ. Die Beschleunigung betrug ca. einen Tag in 130 Jahren – was zugleich anzeigt, um wie viel der alte Kalender zu langsam war. Zweitens ließ Gregor 10 Tage im Kalender überspringen, so dass auf den 4. Okt. 1582 gleich der 15. Oktober folgte. Damit fiel der astronomische Frühlingsanfang fortan wieder auf den 21. März. Der 21. März war das Datum, das traditionell als Datum des Frühlingsanfangs zur Berechnung des Festkalenders verwendet wurde.

Aus den beiden Korrekturen lässt sich – ceteris paribus – ableiten, wann erstmals der 21. März als kalendarischer Frühlingsanfang festgelegt wurde, denn es ist davon auszugehen, dass er ehemals mit dem Frühlingsäquinoktium zusammenfiel: Es muss ca. 1300 (= 10 mal 130) Jahre vor Gregors Reform gewesen sein.

Gregors Bulle Inter gravissimas bemerkt dazu, die Reform wolle den Zustand zur Zeit des Konzils von Nicaea (325 n. Chr.) wiederherstellen. Nun spricht in der Tat viel für die Annahme, dass zu Konzilszeiten der 21. März bereits kalendarischer Frühlingsanfang war. Nur weist nichts darauf hin, dass beim Konzil irgend jemand daran gedacht hätte, den kalendarischen Frühlingsanfang neu zu bestimmen.

Aus diesem und einigen weiteren Gründen (Augustus’ Sonnenuhr, römischer Frühlingsbeginn nach alexandrinischer Gewohnheit) geht Illig davon aus, dass der 21. März schon seit Einführung des julianischen Kalenders im Jahre 45 v. Chr. als kalendarischer Frühlingsanfang galt. Das aber bedeutet, dass die nachchristliche Zeitrechung ca. drei Jahrhunderte zu lange sein muss. [WU 13-64]

12. Warum grenzt Illig die FZ in einem zweiten Schritt auf die Jahre zwischen 614 und 911 n. Chr. ein?

Eine präzise Hypothese ist am leichtesten falsifizierbar und deshalb am aussagekräftigsten. Eine nur vage Schätzung der Länge der FZ oder das Vermeiden jeglicher Festlegung würde die Theorie verwässern; die Diskussion würde sich ins Unverbindliche verlieren. Die Festlegung auf 297 Jahre zwingt Befürworter und Gegner zur klaren Stellungnahme.

Geschichte ist entweder so oder anders verlaufen. Ist die Illig-Hypothese falsch, dann war die FZ entweder kürzer oder länger und muss die Hypothese entsprechend korrigiert werden. Daran ändert nichts, dass für unterschiedliche Regionen und unterschiedliche historische bzw. chronologische Traditionen möglicherweise unterschiedliche Beginn- und Endpunkte der FZ anzusetzen sind. Die Präzision der Illig-These zwingt in solchen Fällen dazu, die Unterschiede genau kenntlich zu machen.

Eine generelle Eingrenzung der FZ auf das 7. bis 9. Jh. gibt insbesondere der Bestand an Architektur vor. Justinianische und ottonische Bauten stehen noch heute und lassen sich nicht wegdiskutieren. In der Zwischenzeit wurde – von Indien bis Island – wenig gebaut. Dieses Wenige weist keine eigentümlichen Stilmerkmale auf und ist deshalb nicht zweifelsfrei datierbar. [siehe hierzu auch Frage 24]

Die “Feinjustierung” ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Das Jahr 614 hält Illig aus zwei Gründen für den Beginn der FZ. Erstens ist es das Jahr, in dem Byzanz Jerusalem und das Heilige Kreuz an die Perser verliert. Das erscheint realistisch, weil Persien unter Chosrau II. immer stärker geworden war. Die anschließenden plötzlichen, märchenhaften byzantinischen Erfolge mit Rückeroberung des Kreuzes (das 637 erneut verloren geht) muten unglaubwürdig an.

Zweitens hatte im Westen der Merowinger Chlothar II. im Jahre 613 gerade alle seinen Verwandten als einziger überlebt. Im nächsten Jahr muss er dann in Paris hinnehmen, dass ihm der Adel Rechte abtrotzt, wie sie aus dem 10. Jh. bekannt sind. Illig nimmt an, dass mit diesem Adelsaufstand im Westfrankenreich die Machtübernahme durch die karolingischen Hausmeier erfolgt, die dann ab 911 noch knapp 80 Jahre als Könige regieren werden. Konrad I. (911-918) mag im Ostfrankenreich der “letzte Merowinger” gewesen sein.

Für das Jahr 911 als Endpunkt der FZ spricht die vorerst weiterhin festzuhaltende Realität des 911 geschlossenen Vertrages zwischen dem Wikingerherrscher Rollo und Karl dem Einfältigen, durch den die Normandie als normannischer Besitz anerkannt wurde. Schließlich hätte jene Region ohne diese Anerkennung heute einen anderen Namen. Auch muss der Übergang der Herrschaft über das Ostfrankenreich auf die Sachsen reale Geschichte gewesen sein. Da dieser 918 auf zwar ungewöhnliche, aber durchaus nachvollziehbare Weise nach dem Tod Konrads I. erfolgte, ist der seit 911 regierende Konrad vermutlich eine reale Gestalt gewesen. [WU 77 ff.]

Die Länge von genau 297 Jahren findet ihre Bestätigung u. a. in einer von Gregor von Tours beobachteten Sonnenfinsternis, die keineswegs im angegebenen Jahr 590 n. Chr. = 1360 BP stattgefunden hat, wohl aber für das Jahr 1063 BP retrokalkuliert werden kann. [WU 144 ff.]

13. Lässt sich Karl der Große denn so einfach aus der Geschichte streichen?

Einfach geht das gewiss nicht. Es ranken sich um Karl jedoch sehr, sehr viele merkwürdige Geschichten, und es gibt eine Fülle von Problemen. Hier eine Auswahl:

  • Geburt: Ein gutes Dutzend Orte streiten sich um die Ehre, Geburtsort Karls zu sein. Das Geburtsjahr schwankt zwischen 742 und 747. Karls Mutter Bertrada war mal eine bretonische Prinzessin, mal ungarischer Herkunft, mal Mitglied des byzantinischen Kaiserhauses. [DeM 37 f.]
  • Kaiserkrönung: Es ist ungeklärt, ob Karl seine Krönung wollte oder ob er vom Papst überrascht wurde. Auch ist umstritten, ob es eine Kaiserkrönung oder nur eine Kaiserakklamation gab. Einhard spricht lediglich von der “Annahme des Kaisertitels”. Andreas von Bergamo (9. Jh.), Bonizo von Sutri (11. Jh.), Gerhohs von Reichersberg (12. Jh.) und Nicolaus Cusanus (15. Jh.) wissen nichts von einem Kaiser Karl. [DeM 41 f.]
  • Vasallen: Von den mindestens tausend vassi dominici und den vielleicht insgesamt 30.000 adligen Vasallen Karls kannte Bullough 1966 gerade zwei Namen. Walther Kienast hat die Zahl bis 1990 auf immerhin 24 erhöhen können. [DeM 137 f.]
  • Beziehungen: Karl unterhielt diplomatische Beziehungen mit Harun al-Raschid, dem Kalifen von Bagdad. Dieser schenkte ihm den weißen Elefanten Abul Abbas, der Karl zwischen 802 und 810 auf all seinen Reisen und Feldzügen begleitete. [DeM 49] Arabische Quellen erwähnen diese Beziehungen nicht. Harun al-Raschid ist hauptsächlich durch die Märchen aus Tausendundeiner Nacht bekannt. [WU 140]
  • Bautätigkeit: Wir wissen aus Schriftquellen für die Zeit zwischen 476 und 855 n. Chr. von 1695 Großbauten, davon 312 Kathedralen, 1254 Klöster und 129 Königspfalzen. Dazu der Historiker Braunfels: “Von allen diesen Bauten hat man [bis 1991] nur 215 archäologisch untersucht, nur von einem Bruchteil von diesen sind Reste erhalten. Die Werke, die ganz oder doch in wesentlichen Teilen noch stehen, lassen sich fast an den zehn Fingern aufzählen …”. [DeM 208]
  • Pfalzkapelle: Das Meisterstück karolingischer Baukunst, die Aachener Marienkapelle (ca. 792-799), steht im Westen einzigartig da. Mehr als 200 Jahre früher wurde der direkte Vorgängerbau (San Vitale in Ravenna) errichtet, erst in der Romanik des 11. Jhs. entstehen wieder Bauten, die bautechnisch und stilistisch mit Aachen vergleichbar sind. [DeM 222 ff.] Illig hält folglich die Pfalzkapelle für eine romanische Kirche des 11. Jhs.
  • Wirtschaft: Wirtschaftshistoriker widersprechen sich diametral, wenn es um Karls Finanzwirtschaft geht. Die einen konzedieren Karl größten Reichtum, andere sprechen von wirtschaftlichem Niedergang. [DeM 161 ff.] Heinsohn hat kürzlich gezeigt, dass Karlsmünzen (wie auch die Karls des Kahlen) nicht von denen Karls des Einfältigen (898-929) zu unterscheiden sind. Illig hält diesen Carolus Simplex für einen realen Karolinger und für das Vorbild des Carolus Magnus. Das Cognomen simplex (auch = der Einfache, Nicht-Verdoppelte) kam erst nach der Jahrtausendwende auf. [Heinsohn (2001)]
  • Tod: Karl wird entgegen seinem Wunsch, in Saint-Denis an der Seite seines Vaters begraben zu werden, in der Aachener Pfalzkapelle beigesetzt. Das widerspricht dem Verbot von Bestattungen innerhalb von Kirchen, das Karls Konzile von Aachen (809) und Mainz (813) beschlossen hatten. [DeM 44 f.]
  • Grab: Aus Furcht vor den Normannen wurde Karls Grab so gut getarnt, dass es zwei Jahrhunderte lang unauffindbar blieb. Kaiser Otto III. findet es im Jahre 1000, öffnet es und sieht Karl auf seinem Thron sitzend. Wieder gerät das Grab in Vergessenheit. Erst Friedrich Barbarossa entdeckt und öffnet es 1165 erneut. Seither ist das Grab verschwunden. Zum Vergleich: Das Grab Ottos des Großen im Magdeburger Dom wurde trotz Zerstörung und Neubau der Kirche stets in Ehren gehalten. [DeM 44 ff.]
  • Kult: Von Friedrich Barbarossa (1152-1190) stammt der Begriff Sacrum Romanum Imperium (Heiliges Römisches Reich). Friedrich ließ Karl exhumieren, heilig sprechen und öffentlich verehren. Die meisten Karlsfälschungen stammen aus dieser Zeit. Im Bildprogramm von Karls Armreliquiar (datiert um 1170) dokumentiert sich der imperiale Anspruch Barbarossas unter Berufung auf Karl den Großen. [DeM 338]
  • Biographie: Über die Karlsbiographie des Hofschreibers Einhard urteilte Leopold von Ranke: “Das kleine Buch ist voll von historischen Fehlern […]. Nicht selten sind die Regierungsjahre falsch angegeben […]; über die Teilung des Reiches zwischen den beiden Brüdern wird eben das Gegenteil von dem behauptet, was wirklich stattgefunden hat […]; Namen der Päpste werden verwechselt, die Gemahlinnen ebenso wie die Kinder Karls des Großen nicht richtig aufgeführt; es sind so viele Verstöße zu bemerken, dass man oft an der Echtheit des Buches gezweifelt hat, obwohl sie über allen Zweifel erhaben ist.” [DeM 345]
  • Überlieferung: Karls Schwiegersohn Angilbert dichtet 799 ein Epos, in dem er Karl als “Leuchtturm Europas”, “Haupt der Welt; Gipfel Europas; der Vater Europas; der gütigste Vater; Held” bezeichnet. 799 war Karl noch gar nicht Kaiser. [DeM 35 f.] Johannes Fried hat in einem Spiegel-Artikel mit dem Titel Ein dunkler Leuchtturm gezeigt, dass der Mythos von Karl als “Vater Europas” erst sehr viel später entstanden und ein Produkt des romantisierenden Napoleonismus und Hitlerismus ist. [Fried]

Der Leser möge sich durch eigene Lektüre der Bücher Das erfundene Mittelalter und Wer hat an der Uhr gedreht? davon überzeugen, dass es sich bei obiger Aufzählung wirklich nur um eine kleine Auswahl aus einer beeindruckenden Menge von Schwierigkeiten und sonderbaren Erzählungen im Zusammenhang mit Kaiser Karl handelt.

14. Sind künstliche Chronologieverlängerungen ein dem Historiker völlig unbekanntes Phänomen?

Nein, künstliche Chronologieverlängerungen sind dem Historiker durchaus bekannt. Das beste Beispiel ist die vom Archäologen und Ägyptologen Flinders Petrie vorgenommene Chronologieverlängerung der Alten Geschichte. Sir Flinders Petrie, der als Vater der modernen Archäologie gilt, datierte die erste ägyptische Dynastie ins 6. Jt. v. Chr. Heutige Ägyptologen datieren sie – damit Eduard Meyer folgend – ca. 2.500 Jahre später: ein Zeitensprung von zweieinhalb Jahrtausenden. [Birken (2002) 222]

Ein aktuelles Beispiel für eine sich im konventionellen Rahmen bewegende Chronologiedebatte ist die Diskussion um die kurze, mittlere, lange und ultralange Chronologie der mittleren Bronzezeit, die zur Zeit von Orientalisten, Ägyptologen und Archäologen geführt wird. Hier handelt es sich um Zeitensprünge von insgesamt ca. 200 Jahren.

15. Behauptet die FZT, dass die künstliche Chronologieverlängerung des Mittelalters das Produkt einer weltweiten Verschwörung sei?

Nein, eine solche Behauptung unterstellen ihr nur ihre Gegner. Es handelt sich hier um eine Fehlinformation, die u. a. von Tilmann Chladek, Lektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), in vielen Newsgroup-Beiträgen verbreitet wurde. Sie klingt auch in der verzerrenden Darstellung von Illigs These auf Chladeks Homepage an. Für Illigs eigene Sichtweise siehe unten Frage 16 ff.

Auf Chladeks Seiten kommt übrigens der Kölner Archäologe Dr. Sven Schütte ausführlich zu Wort. Schütte macht dort seinem Ruf als unsachlicher Polemiker gegen Illig alle Ehre. Was der angesehene Experte für mittelalterliche Baukunst Günther Binding von Dr. Schüttes Datierungsmethoden hält, hat er in einem Rundfunkinterview einmal unmissverständlich klar gemacht. Das Interview ist nachzulesen in Illigs ZS-Beitrag Köln im Frühdatierungsfieber. Wie oft wird Sven Schütte noch zum Auslöser? [Illig (2008)]

16. Wie kam denn gemäß der FZT die künstliche Chronologieverlängerung des Mittelalters in die Welt?

Illigs vorläufige, in seinem Buch Wer hat an der Uhr gedreht? dargelegte Hypothese lautet, dass die FZ erstmals in zwei unter dem Namen des byzantinischen Chronisten Theophanes geführten Geschichtswerken auftaucht. Vom zweiten Teil dieser Theophanes-Chronik – dem sogenannten Theophanes Continuatus – ist einer der Autoren bekannt: Es ist der Rhomäerkaiser Konstantinos VII. Porphyrogennetos (906-959). Illig nimmt an, dass auch der erste Teil der Chronik, der traditionell einem sonst nicht bekannten Theophanes Confessor zugeschrieben wird, auf das Konto des Porphyrogenneten geht. Für fast drei Jahrhunderte byzantinischer Geschichte ist die Theophanes-Chronik unsere wichtigste, zum Teil sogar unsere einzige Quelle. [vgl. Runciman 294 f. Siehe auch Frage 17, 18, 22, 27, 28 und 29]

17. Ist die Annahme, Konstantin VII. Porphyrogennetos sei der Urheber einer künstlichen Chronologieverlängerung, begründet?

Historiker wissen, dass Konstantin VII. ein Fälscher war. [Norwich II 78] Ob ihm auch eine Zeitfälschung unterstellt werden kann, ist eine Frage, die von Historikern bislang nicht diskutiert wurde.

Bekannt ist, dass unter Konstantin eine interdisziplinär tätige Gelehrtenschar sämtliche Gebiete des Wissens überprüft und die Ergebnisse in eine groß angelegte Enzyklopädie zusammengefasst hat.

Weiter wissen Historiker, dass byzantinische Chronisten irgendwann – wann genau ist nicht bekannt – dazu übergegangen sind, historische Ereignisse nicht mehr nach Seleukidenära (Beginn 312 v. Chr.), sondern nach Weltära (ab Schöpfung der Welt) zu datieren. Illig nimmt an, dass dieser Übergang unter Kaiser Konstantin erfolgt ist und den Zweck hatte, die künstliche Chronologieverlängerung zu verschleiern.

Schließlich ist Historikern bekannt, dass – mit wenigen Ausnahmen – sämtliche antike griechische Majuskelhandschriften verschollen sind. Viele von ihnen sind irgendwann in Minuskel umgeschrieben oder exzerpiert und wahrscheinlich anschließend vernichtet worden. Byzantinisten vermuten, dass der Patriarch Photios im 9. Jh. mit dem Umschreiben und Exzerpieren begonnen hat. Sicher ist, dass diese Tätigkeit bis in Konstantins Zeit fortgesetzt wurde. [Erbse 243 f.] Illig nimmt an, dass Konstantin VII. für die ganze Aktion verantwortlich ist. [WU 165 ff.]

In diesem Umfeld schwer verständlicher und kaum geklärter Begebenheiten, die zumindest zum Teil unter Federführung eines fälschenden Kaisers stattfanden, lässt sich die Erstellung einer Chronik mit erfundener Zeit und erfundenen Ereignissen gut vorstellen. [siehe Frage 16, 22 und 29] Bewiesen ist nichts, aber der Verdacht ist begründet, und es macht Sinn, ihm weiter nachzugehen.

18. Ist es vorstellbar, dass eine gefälschte mittelalterliche Chronik am Ursprung eines unerkannten Kalenderfehlers steht, der heute in allen Geschichtsbüchern und Kalendern der Welt enthalten ist?

Diese Frage zielt auf eine Metaebene. Sie fragt nach der Geschichte der Geschichtsschreibung. Welche historischen Werke genossen zu welcher Zeit Autorität, an welchen Autoren und Autoritäten orientierten sich Historiker vergangener Zeiten, welche Geschichtsbilder und Geschichtserzählungen wurden an die jeweils nächste Generation weitergegeben? Große Bedeutung auf diesem Weg hatten etwa die Weltchronologien des Josephus Justus Scaliger und des Dionysius Petavius.

Byzantinisten wie Cyril Mango – Herausgeber einer englischen Übersetzung des Theophanes Confessor [Mango/Scott] – oder Hans-Georg Beck heben das hohe Ansehen hervor, das der Grieche Theophanes [siehe Frage 16] im lateinischen Westen genoss. Beck spricht in diesem Zusammenhang vom kanonischen Charakter der Theophanes-Chronik. [Beck 436]

Die Autorität des Theophanes im Westen ist gut nachvollziehbar. Im 10. Jh. galt Konstantinopel als das Zentrum der gebildeten Welt. Hier gab es eine kontinuierliche historische Tradition, die aus der griechisch-römischen Antike heraus direkt in das byzantinische Mittelalter führte. Der Westen hatte dagegen den politischen und kulturellen Zusammenbruch des Reiches unter den Hammerschlägen barbarischer, schriftloser Völker erlebt. [Fuhrmann (1994)]

Westliche Kultur war im 10. Jh. – nach dem unerklärt schnellen Untergang der sogenannten karolingischen Renaissance (die es freilich nach Illig nie, jedenfalls nicht im 9. Jh., gegeben hat) – vergleichsweise primitiv und nahm sich an Byzanz ein Vorbild. Die Ottonen unterhielten enge, gar verwandtschaftliche Beziehungen mit dem byzantinischen Kaiserhof. Zur Übersetzung byzantinischer Texte wurde ein künstliches, nirgendwo mehr lebendiges Kirchenlatein verwendet.

Die erste lateinische Übersetzung des Theophanes dürfte für alle späteren Historiker Maßstäbe gesetzt haben. Theophanes’ Kaiserliste und Chronologie, die Antike und Mittelalter bruchlos miteinander zu verknüpfen schienen, gaben das unhinterfragte Gerüst vor, das zur Konstruktion des europäischen Frühmittelalters zuerst im Westen und dann weltweit bis heute gültig geblieben ist. [siehe auch Frage 27 und 29]

19. Beweist nicht die Geschichtsschreibung der arabischen Welt den Irrtum der FZT?

Die Geschichte der arabischen Geschichtsschreibung und deren Beziehung zu Byzanz ist relativ undurchsichtig. Das Hauptwerk für die fraglichen Jahrhunderte zwischen 614 und 911 ist zweifellos at-Tabaris gewaltiges Opus Die Geschichte der Propheten und der Könige – eine Universalgeschichte, die von der Schöpfung der Welt bis ins Jahr 915 n. Chr. reicht.

At-Tabari, ein gebürtiger Perser, der arabisch schrieb, starb 923 und kannte offenbar schon die lange Chronologie. Aber sein Werk ist sehr uneinheitlich. Eine weitgehend geschlossen konzipierte Geschichte des Sassanidenreiches (bis ins 7. Jh.) wird gefolgt von einer Geschichte in Form einer mehr oder weniger chaotischen Sammlung von isnad-Erzählungen (“A erfuhr von B, dem C erzählte, dass er von D gehört hat usw.”). Ein isnad (Überlieferungskette) läuft nicht selten über sechs, sieben oder gar acht Glieder. Über ein und dasselbe Ereignis gibt es gewöhnlich mehrere solcher Erzählungen, die sich oft untereinander widersprechen. Nur manchmal entscheidet sich at-Tabari für eine der vielen Varianten als die richtige. [at-Tabari. Für Beispiele von isnad-Versionen siehe Frage 20]

Zur Beurteilung des at-Tabari-Werkes gibt es aus Sicht der FZT zwei Möglichkeiten. Für die erste Möglichkeit optiert Dr. Klaus Weißgerber in Weißgerber (2000), indem er das Sassanidenbuch at-Tabari selbst und das übrige Werk einer at-Tabari-Schule zuschreibt. Letztere hätte den auf Theophanes [siehe Frage 16] zurückgehenden Kalenderfehler mit eingearbeitet.

Die zweite Möglichkeit rechnet mit einer Entstehung des Kalenderfehlers im islamischen Bereich. Kein anderer als at-Tabari wäre der Urheber der Zeitfälschung. Sein mit dem Jahr 915 abschließendes Werk hat Konstantin VII. bekannt sein können, denn Mas’udi berichtet, dass eine Gesandtschaft des Konstantin 917 mit feierlichem Zeremoniell vom Kalifen al-Muqtadir in Bagdad empfangen wurde. [Hitti 302]

Weitere Forschung ist notwendig, um hier Klarheit zu bringen. Gründe und Anknüpfungspunkte für Kürzungen der arabischen Mittelaltergeschichte gibt es genug. Da gibt es etwa die märchenhaften Erzählungen über die frühe Abbasidendynastie in Bagdad. Oder die Merkwürdigkeit, dass die ägyptischen Fatimiden, die im 10. Jh. regieren, in Handwerk und Kunst direkt an die Sassaniden des 7. Jh. anknüpfen. [Hitti 631] Oder die Wahrscheinlichkeit, dass es persische Truppen waren, die im späten 6. oder frühen 7. = 10. Jh. Nordafrika und Spanien eroberten. Oder auch die Beobachtung, dass praktisch die Gesamtheit der maurischen Architektur in Spanien erst ab dem 10. Jh. entstanden ist. [WU 103-106. Siehe zur Chronologie der arabischen Welt Frage 20, 21, 27, 28 und 29]

20. Beginnt die islamische Zeitrechung denn nicht im Jahre 622 n. Chr. mit der Flucht des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina?

Die hidschra – die Flucht des Mohammed von Mekka nach Medina im Jahre 622 n. Chr. – gilt als Beginn der islamischen Zeitrechnung. Nach der FZT ist dieses Jahr identisch mit dem Jahr 919 n. Chr. Das ist aber eindeutig zu spät für das Auftreten Mohammeds und die Politisierung des Islam. Zum Beispiel hätte at-Tabari, der konventionell 923 n. Chr. starb, nicht mehr über den Tod des Propheten und die Verbreitung des Islam berichten können.

Manfred Zeller und Klaus Weißgerber haben in den ZS argumentiert, dass die hidschra möglicherweise um mehrere Jahrzehnte zurückzudatieren ist.

Weißgerber (2000) weist auf einen auch traditionellen Historikern bekannten, bislang unerklärten Widerspruch hin: Mohammed wurde im sogenannten Jahr des Elefanten geboren. In diesem Jahr zog der äthiopische Heerführer Abrahas, der in seiner Armee einen (nach einer anderen isnad-Erzählung: dreizehn) Elefanten mitführte, gegen Mekka. Heimgesucht von einer rätselhaften Seuche (nach einem anderen isnad: weil der Elefant nicht mehr weiter wollte) rückte die Armee wieder ab. [at-Tabari V 222-235. Zum Begriff “isnad” siehe Frage 19] Als Jahr des Elefanten gilt konventionell das Jahr 570 n. Chr. Problem: Abrahas war zu dieser Zeit schon seit mindestens zwölf Jahren tot. Weißgerber gibt gute Gründe dafür an, dass der Abrahas-Feldzug im Jahre 544 n. Chr. erfolgt sein muss. Deshalb hält er dieses Jahr für das Geburtsjahr Mohammeds.

Manfred Zeller hatte schon aufgrund einer Analyse von Architektur und Münzen der Omajjaden diese Dynastie 78 Jahre früher als üblich datiert. Weitere Überlegungen brachten ihn dazu, auch die hidschra um 78 Jahre rückzudatieren. Damit fällt sie mit dem Jahr zusammen, das Weißgerber als das Jahr des Elefanten rekonstruiert hat (622 minus 78 ergibt 544 n. Chr.). [Zeller (1993a) und (1993b)]

In letzter Zeit lässt sich bei Vertretern der FZT eine Tendenz feststellen, die Historizität der Erzählungen über die Entstehung des Islam überhaupt in Frage zu stellen. Autoren wie Nevo/Koren, Ohlig/Popp und Muhammad Kalisch finden verstärkt Gehör. Sie wenden die historisch-kritischen Methoden, mit denen auch die Geschichte des Judentums und des Christentums erforscht werden, auf den Islam an. [Weißgerber (2007), Zeller (2008), Beaufort (2008)] Weißgerber steht weiterhin zu seiner These, dass das Jahr 544 als Jahr des Elefanten der Anfang einer neuen arabischen Zeitrechnung war. Die frühen Kalifen datierten ihre Münzen nach dieser Zeitrechnung und sind entsprechend einzuordnen. [ebd. 125]

21. Aber selbst wenn wir einmal versuchsweise annehmen, dass eine Zeitfälschung im von Illig vermuteten Umfang möglich war, was könnte denn das Motiv gewesen sein?

Die Frage nach dem Motiv ist noch nicht endgültig geklärt. Illig hat für den Westen und für Byzanz – wo er den Ursprung der Chronologieverlängerung vermutet [siehe Frage 16] – einige plausible Motive genannt. [siehe Frage 22] Illigs Vorschläge haben jedoch die Diskussion um das Motiv nicht beruhigen können. Auch gab es bislang keine Antwort auf die Frage, warum denn die arabische Welt den Zeitensprung übernommen hätte.

Schon Uwe Topper [siehe Frage 6] war aufgefallen, dass zwischen dem Jahr des Konzils von Nicaea (325 n. Chr.) und der hidschra (Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahre 622 n. Chr.) genau jene 297 Jahre liegen, auf die Illig die FZ eingrenzt. Dieser Zusammenhang könnte sachlich begründet sein, denn beim Konzil wurde der Ketzer Arius verurteilt, der – wie später Mohammed – lehrte, dass Jesus nicht Gott war. [Topper (1999)]

Toppers Lösung, die “Mohammedaner” kurzerhand mit den Arianern gleichzusetzen, ist aus mehreren Gründen problematisch. [vgl. Beaufort (2008)] Ein historischer Zusammenhang zwischen Arianismus und Islam ist aber so naheliegend (er würde u. a. die schnelle Islamisierung des vormals arianischen Nordafrika und Spanien verständlich machen), dass man sich fragen muss, weshalb er von Historikern nicht schon viel früher in Erwägung gezogen wurde.

Weitere Forschung in diese Richtung hätte zu klären, wie sich die arianische Vorgeschichte in der islamischen Tradition reflektiert. Ist der sich radikal an moralischen, inneren Werten orientierende Arianismus gleichzusetzen mit dem sich radikal an moralischen, inneren Werten orientierenden Schiismus? Diese erstaunlich frühe ketzerische Abspaltung von der sunnitischen Hauptströmung leitet sich von Mohammeds mythischem Schwiegersohn ‘Ali her und stellt diesen als Propheten über Mohammed. Bekannt ist, dass sich die Schi’a (= Partei, sc. des ‘Ali) bald selbst wieder spaltete, weil die Hauptrichtung einem historischen Kompromiss mit den Anhängern Mohammeds zugestimmt hatte, der von einer Minderheit abgelehnt wurde.

Die schiitischen Alawiten feiern noch heute Weihnachten und Ostern und halten den Koran für eine Fälschung. Von ‘Ali sind antitrinitarische Predigte überliefert, die auch von Arius hätten stammen können. Möglicherweise wurde die Geschichte der Anhänger des Arius = ‘Ali von der at-Tabari-Schule [siehe Frage 19] um 297 Jahre auseinander gerissen, um die Identität der Aliden mit den christlichen Arianern vergessen zu machen. Immerhin berichten auch Islamwissenschaftler über christliche Wurzeln des Islam und eine spätere Tendenz, diese zu verdrängen. [vgl. Lüling (1981) und (1993)]

Diese Überlegungen könnten zur Klärung des Motivs der Chronologieverlängerung im arabischen Bereich beitragen. [siehe zu diesem Thema auch Frage 28 sowie Müller und Beaufort (2008)] Dass sich im übrigen der Islam aus Zeitensprüngen nicht viel macht, beweist der Koran, der umstandslos Maria, die Mutter von Jesus, mit Mirjam, der Schwester des Moses und Aaron, gleichsetzt: ein Zeitensprung von ca. 12 Jahrhunderten.

22. Aber auch wenn es im islamischen Bereich gute Gründe für eine Zeitfälschung gegeben haben mag, die Frage bleibt: Welches Motiv hatte der Ersterfinder der FZ?

Hauptverdächtiger der Zeitfälschung bleibt nach wie vor Konstantin VII., der Gelehrte auf dem Kaiserthron des kultiviertesten Staates der damaligen Welt. Dass er wie kein anderer über die Mittel zu einer solchen Aktion verfügte, ist bekannt. [siehe Frage 17 und 27] Warum also erfand er drei Jahrhunderte Leerzeit und füllte sie mit fiktiver Geschichte?

Illig gibt zwei denkbare Hauptmotive an. Zum einen mag Konstantin persönliche bzw. dynastische Gründe gehabt haben, indem er mit Hilfe der verlängerten Chronologie seine mutmaßliche Abstammung vom Kaisermörder Phokas zu verheimlichen suchte. Zum anderen war es auf dem Weg der Geschichtserfindung möglich, den Verlust des Heiligen Kreuzes an die Perser [siehe Frage 12] durch Verschiebung in eine ferne Vergangenheit erfolgreich zu verdrängen. [WU 157-184]

Neben diesen von Illig genannten Motiven könnten weitere Gründe im Spiel gewesen sein. So wurde durch Konstantins Chronologiemanipulation die religiöse Reform des Kaisers Justinian (gest. 565) um drei Jahrhunderte zurückdatiert. Über diese allem Anschein nach tiefgreifende Reform gibt es kaum verlässliche Informationen, dafür aber viele offensichtlich verzerrende Darstellungen. Justinian hatte den orthodoxen Katholizismus zur einzigen Reichsreligion erhoben und unnachsichtig durchgesetzt. Dabei verbot er unter anderem die arianische Kirche [siehe Frage 21] und konfiszierte ihre Güter. Auf Justinian geht vermutlich die Neuerung zurück, die gemeinsame Mahlzeit der Urchristen durch die hinter einer Ikonostase aufgeführte Messe zu ersetzen. Möglicherweise verfolgte die konstantinische Geschichtsfälschung das Ziel, den Eindruck zu verstärken, den schon Justinian selbst zu erwecken versuchte: dass nämlich der Katholizismus die christliche Urreligion war. [siehe Beaufort (2004) und (2008) zu einer Hypothese über den wirklichen Umfang der justinianischen Reform]

Der neueste Erklärungsversuch geht aus von Andreas Birkens These, nach der Dionysius Exiguus [siehe Frage 23] dem Fälschungskomplex Synkellos-Theophanes-Konstantin VII. zuzuordnen ist. [Birken (2006)] Wenn die These zutrifft, lagen der Chronologiereform des Kaisers Konstantin komputistische Interessen zu Grunde. Dann aber drängt sich die Vermutung auf, dass es Konstantin um die reichseinheitliche Regelung der Osterfestberechnung und die Beilegung des antiken Osterstreits ging. [Beaufort (2007)]

Im Westen ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der Kalendersprung nicht erkannt wurde. Illig nimmt an, dass es Otto III. und der von ihm ernannte Papst Sylvester II. (= der Gelehrte Gerbert von Aurillac) waren, die unsere christliche Zeitrechnung und zugleich damit die Chronologieverlängerung einführten. [WU 125-216]

Gerbert kannte Theophanes: Byzantinische Bildung wurde ihm über den Kaiserhof vermittelt. Außerdem hat er während eines Spanienaufenthalts islamische Gelehrsamkeit und wohl auch die islamische Zeitrechung kennen gelernt. [Lausser] Von zwei Seiten wurde die lange Chronologie also bestätigt. Da ein kontinuierliches historisches Bewusstsein im Westen fehlte [siehe Frage 18], blieb keine andere Wahl, als den historischen Fehler der anderen zu übernehmen.

Sollte dieses Szenario stimmen, erübrigt sich für den Westen die Suche nach einem Motiv. Sollte es aber nicht zutreffen und Otto und Gerbert bewusst manipuliert haben, dürfte neben dem auch im Westen anzunehmenden Interesse an einer Beilegung des Osterstreits das von Illig angegebene Motiv das plausibelste sein: Otto wollte als Endzeitkaiser und Servus Jesu Christi das Reich in ein neues Millennium führen (wie sein Siegel für das Jahr 1000 belegt). [WU 250 ff.]

23. Wurde unsere christliche Zeitrechnung denn nicht im 6. Jh. von Dionysius Exiguus begründet?

Jahrhundertelang galt der römische Mönch Dionysius Exiguus als der erste, der die christliche Zeitrechnung verwendete. [Ideler, Borst (1990), Maier] In seiner 525 n. Chr. vorgelegten Ostertafel zählte er die Jahre ab incarnatione Domini (was meistens als “nach Christi Geburt” verstanden wird). Damit nahm er ausdrücklich von der vormaligen christlichen Gewohnheit Abstand, die Jahre nach Diokletiansära [siehe Frage 4] zu zählen – hielt er doch Diokletian für einen Gottlosen (impius) und Christenverfolger. [Ideler II 376]

Arno Borst hat 1998 einen früheren Autor entdeckt. Es handelt sich um Furius Dionysius Philocalus, den Kalligraphen des Papstes Damasus I. Im Jahre 354 n. Chr. schrieb er den bedeutendsten christlichen Kalender der Spätantike. Die vorchristlichen Jahre zählte er darin ab urbe condita, die nachchristlichen ab Christi Geburt. [Borst (1998) 42, WU 16 f.]

Philocalus fand offensichtlich keine Nachfolger. Auch Exiguus kann nicht eigentlich als ein solcher betrachtet werden, da er Philocalus nicht erwähnt und seine eigene Zeitrechnung als Neuschöpfung darstellt. Erstaunlich ist wohl, dass er die Jahre nach Christi Geburt genauso zählt wie Philocalus. Das ist deshalb erstaunlich, weil das Geburtsdatum Christi immer (und bis heute) umstritten war. Aufklärung bringt hier vermutlich der Umstand, dass die ältesten erhaltenen Exemplare des Philocalus-Kalenders aus dem 16. Jh. stammen – also dem Jahrhundert der gregorianischen Kalenderreform. [LexMA Art. Spätrömische Buchmalerei]

Ebensowenig wie Philocalus fand Exiguus Komputisten oder Chronisten, die es ihm gleichtun wollten. Von vereinzelten, unsicheren Ausnahmen abgesehen war der englische Benediktiner Beda Venerabilis (ca. 672 – 735 n. Chr.) der nächste, der nach Christi Geburt datierte. Beda ist unter anderem deshalb problematisch, weil er sich nur schwer von einem Historikern bekannten Pseudo-Beda abgrenzen lässt. Auffällig ist etwa, dass er als erster von Christi Geburt an rückwärts zählt, was frühestens um 1070 n. Chr. – also drei Jahrhunderte später – wieder von anderen Chronisten gemacht wird. [WU 123]

Seit Beda findet sich die dionysische Ära häufiger. Karl der Große war der erste Regent, der sich ihrer in Edikten und Diplomen bediente – allerdings nur gelegentlich. Vereinzelt verwendet sie auch Ludwig der Fromme. Seine Söhne Lothar, Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle datieren ihre zahlreich vorhandenen Akten hingegen lediglich nach Regierungsjahren und Indiktionen. Erst Karl der Dicke rechnet wieder nach Jahren Christi. Er tut dies so oft, dass ihn einige für den Urheber der Methode gehalten haben. [Ideler II 376 ff.]

Nach einer erneuten Unterbrechung wird dann im 10. Jh. der Gebrauch häufiger. Spätestens seit Ende des 10. Jh. ist er weit verbreitet. Allerdings ist er noch keineswegs allgemein bekannt und anerkannt. In zahlreichen Urkunden findet er sich gleichwertig neben anderen Datierungsweisen. Auch dauert es noch lange, bis Einigkeit über den Beginn der Ära herrscht. So war im 12. Jh. außer der Zählung secundum Dionysium eine Ära secundum Evangelium geläufig, die mal 22, mal 23 Jahre früher einsetzt. Päpste waren mit dem Gebrauch sehr zurückhaltend, erst Eugen IV. datiert im 15. Jh. seine Bullen dionysisch. [Ideler II 378 ff.]

Aus der Sicht der FZT ist der Umstand wichtig, dass der Ansatz des Dionysius Exiguus zunächst folgenlos blieb und in Vergessenheit geriet. Die weitere Entwicklung sieht gemäß Illig so aus, dass die Datierung nach Christi Geburt nicht erstmals wieder bei einem verdächtigen Beda und ebenso verdächtigen Karolingern, sondern frühestens im 10. Jh. in Gebrauch kam und durch Otto III. und Sylvester II. sanktioniert wurde. Angeblich ältere urkundliche Verwendungen der christlichen Ära seien auf – Mediävisten vertraute – Manipulation der Datumszeile zurückzuführen. [WU 205 ff.]

24. Wie steht es mit dem Rest der Welt? Es gibt doch nicht überall dunkle Jahrhunderte?

Archäologisch bzw. kunsthistorisch dunkle Jahrhunderte und/oder Lücken bzw. Verdoppelungen der Geschichtsschreibung des Frühmittelalters lassen sich nachweisen für u. a. Island, England, das Frankenreich, Spanien, Ungarn, Byzanz, Armenien, Georgien, Russland, Polen, Sizilien sowie für zahlreiche einzelne Städte. [Otte (2008a). Siehe exemplarisch für Bayern: Illig/Anwander] Jüdische Literatur schweigt für mehr als zwei Jahrhunderte. [Heinsohn (1991), WU 130]

Fehlende Bauten im Westen werden konventionell durch die Einfälle der Wikinger erklärt. Sie kamen jeden Frühling, plünderten und brandschatzten das Land und zogen im Herbst wieder ab. [Kinder/Hilgemann 131] Von diesen Wikinger-Raubzügen fehlt archäologisch jede Spur. [WU 97 ff.] Im Osten (Georgien und Armenien) wird das Fehlen von Kirchen für die fragliche Zeit mit regelmäßigen Sarazeneneinfällen begründet.

Einige bemerkenswerte doppelte Datierungen sind:

  • Der armenische Historiker Chorenatzi lebte im 5. Jh. Er schrieb eine Geschichte Armeniens bis 440 n. Chr. Von ihm zitierte Quellen reichen bis ins 5. Jh. Selbst wird er erst mehr als 400 Jahre später zitiert, danach berufen sich alle Historiker auf ihn. Von vielen Historikern wird er deshalb ins 8. Jh. datiert. [Heinsohn (1996)]
  • Die sogenannte ungarische Landnahme wird in der alten, bedeutenden Ungarischen Bilderchronik ins 7. Jh. datiert, konventionell aber ins 10. Jh. Dasselbe gilt für das Geburtsjahr des Fürsten Stephan I. [Weißgerber (2003) 25 ff.]
  • Dunstan, “erster Abt der englischen Nation”, gründet das Kloster Malmesbury, wo Aldhelm 674 Abt wird. Zugleich aber ist Dunstan bis 988 Erzischof von Canterbury. [Laszlo]

Die Geschichte Chinas ist von der künstlichen Chronologieverlängerung vermutlich nicht betroffen.

25. Lässt sich die FZT nicht mit Hilfe von computergestützten astronomischen Retrokalkulationen widerlegen?

Astronomen glauben mittlerweile nicht mehr, dass sich Illigs These durch Angaben über Sonnenfinsternisse in alten Quellen widerlegen lässt. Dazu der Astronom Prof. Dieter B. Herrmann: “Ein bis ins letzte unanfechtbarer Beweis gegen Illigs These kann allein anhand von historischen Sonnenfinsternissen wohl nicht geführt werden.” [Herrmann 213 f.]

Auch die Hoffnung, anhand der Sternlängen in Claudius Ptolemäus’ Almagest die seit Ptolemäus’ Zeit (2. Jh. n. Chr.) vergangenen Jahre zu berechnen, muss aufgegeben werden. Zwar wissen Astronomen, dass sich aufgrund der Präzession der Erdachse die ekliptikale Länge eines Sterns alle 72 Jahre um 1° ändert. Demnach müsste sich aus den Längenangaben im Sternkatalog des Almagest ableiten lassen, wie viel Zeit seit der Niederschrift des Werkes verstrichen ist. [vgl. Krojer 7-15. Mit dem vom wissenschaftlichen Standpunkt problematischen Krojer-Buch befassen sich Illig (2003), Beaufort (2003) und Heinsohn (2003)] Die Datierung dieser Niederschrift ist jedoch alles andere als sicher. Außerdem ist die Urfassung des Almagest sowohl im griechischen Original als auch in den Übersetzungen verschollen. Wie der Arabist Paul Kunitzsch mit Hilfe von Zitaten und Spuren bei anderen Autoren zeigen konnte, wich diese Urfassung vom heute vorliegenden Text – gerade auch im Bereich der Sternkoordinaten – erheblich ab. [vgl. Kunitzsch (1974), Kunitzsch (1975) und Beaufort (2001)]

Die aktuelle Diskussion konzentriert sich auf Angaben über Sonnen- und Mondfinsternisse in babylonischen Keilschrifttafeln. Viele dieser Angaben, die auf jahrhundertelange systematische Himmelsbeobachtung zurückgehen, sind sehr präzise. Zum Teil widersprechen sie der FZT. Es ist jedoch bisher nicht zweifelsfrei gelungen, die Tafeln unabhängig von astronomischen Retrokalkulationen zu datieren, so dass hier überall Zirkelschlüsse drohen. Auch können die Keilschriftdaten nur unter Voraussetzung der FZT problemlos mit der heute gemessenen allmählichen Verlangsamung der Erdrotation (Δ T) in Einklang gebracht werden. Die Befürworter einer langen Mittelalterchronologie müssen entweder annehmen, dass diese Verlangsamung seit den babylonischen Aufzeichnungen drei Jahrhunderte ausgesetzt hat, oder dass die Erdrotation mindestens einmal vergleichsweise stark beschleunigt wurde. [vgl. zu diesem Komplex van Gent (o. J.) und Stephenson (1997)]

26. Beweisen nicht naturwissenschaftliche Datierungsverfahren wie C14 und Dendrochronologie den Widersinn der FZT?

Radiokarbondatierung (C14) und Datierung mittels Dendrochronologie sind keine einfachen, unproblematischen Methoden. C14-Datierungen sind statistische Werte. Sie werden durch folgendes Verfahren gewonnen [nach Blöss/Niemitz]:

  • An einer Probe werden mehrere Messungen vorgenommen. Diese ergeben oft weit (nicht selten um zwei Jahrtausende) auseinanderliegende Werte, über die gemittelt wird.
  • Das Resultat wird “kalibriert”, d. h. synchronisiert mit Proben, von denen das Alter als bekannt vorausgesetzt wird. Die Kalibrierung von C14-Daten wurde notwendig, als der Entdecker der Methode Frank Libby feststellen musste, dass antike Proben durchgehend zu junge Datierungen ergaben. Durch die Kalibrierung wurde die Methode zirkelschlüssig und für Chronologiefragen unbrauchbar.
  • Die Kalibrierung wurde präziser, als 1960 die Dendrochronologie (Datierung durch Vergleich der Jahrringe von Bäumen bzw. von Holzproben) zu Hilfe genommen wurde. Weil man schon bald damit begann, auch umgekehrt Jahrringe mit C14 zu datieren, wurde diese Methode ebenfalls zirkelschlüssig (Holzproben durch C14 datiert <=> C14 durch Dendro kalibriert).

Verbleibende Probleme sind u. a.:

  • Trotz Kalibrierung sind nur C14-Datierungen mit hohen Unsicherheiten möglich – für die Antike oft im Bereich von +/-150 Jahren, was eine FZ von 300 Jahren bereits durchlässt.
  • Wie bei den Wahlforschungsinstituten liefern die einzelnen C14-Labors unterschiedliche Datierungen.
  • Für den Zeitabschnitt zwischen 0 und ca. 2000 BP zeigt die Kalibrierkurve starke, unerklärte Unregelmäßigkeiten. Der Physiker Hans-E. Korth hat gezeigt, dass die Anomalien verschwinden, wenn Illigs Mittelalterthese zugrunde gelegt wird. [Korth (2002) und (2003)]
  • Radioaktiver Kohlenstoff (C14) entsteht in der oberen Atmosphäre durch Sonneneinstrahlung und wird durch regelmäßigen Zerfall vernichtet. Viele Faktoren beeinflussen den C14-Gehalt der Atmosphäre. Die C14-Methode setzt voraus, dass der C14-Gehalt der Atmosphäre über die Jahrhunderte und Jahrtausende konstant geblieben ist. Diese Konstanzhypothese ist nicht bewiesen. Einiges spricht klar gegen sie. [Blöss/Niemitz 384, 55-72]
  • Dass die Dendrochronologie keineswegs eine verlässliche wissenschaftliche Methode ist, zeigt ein von Andreas Otte auf fantomzeit.de vorgestelltes schwedisches Forschungsprojekt. Gerade in der Spätantike und im Frühmittelalter sind größere Verwerfungen festzustellen, die eine Zeitkürzung von mindestens zwei Jahrhunderten nahe legen. [Otte (2008b) und Larsson (2008)]
  • Die Dendrochronologie ist u. a. deshalb fehleranfällig, weil sich aufgrund der periodischen Sonnenfleckentätigkeit alle ca. 22 Jahre ähnliche Ringmuster bilden. [Blöss/Niemitz 137, Korth (2002) 58 f.]

27. Müsste die gewaltige, von der FZT postulierte Zeitfälschung nicht überall Spuren hinterlassen haben?

Wenn wir davon ausgehen, dass die Fälschung der Mittelalterchronologie in der arabischen oder byzantinischen Welt entstanden ist und im lateinischen Westen weitgehend oder gänzlich unerkannt übernommen wurde, dann sind zumindest im Westen keine anderen Spuren von Fälschungsaktivitäten zu erwarten als solche, die ohnehin bekannt sind.

Dass insbesondere Benediktinerskriptorien Fälscherwerkstätten waren, weiß der Historiker. Ebenso kennt er richtige Fälschungszentren wie die Klöster Reichenau, St. Gallen, Fulda oder St. Denis. Das Fälschen bestand hauptsächlich im Rückdatieren von Schriften und Urkunden (allerdings auch von Kunstgegenständen, Bauten und Reliquien). Hinzu kamen erfundene Geschichten und biographische Erzählungen. [siehe FM und VL] Theologische Auseinandersetzungen wurden mit Hilfe rückdatierter, pseudepigraphierter Schriften ausgetragen: Das brachte im Falle der Zustimmung aus Rom Autorität (vgl. Dionysius Pseudo-Areopagita) und schützte bei Ablehnung durch den Papst vor Verketzerung der eigenen Person. [LexMA Art. Pseudepigraphie]

Der Zusammenhang aller dieser erfundenen Datierungen und Geschichten mag zum Teil organisiert gewesen sein (die Benediktinerkongregationen unterstanden Rom). Zum Teil mag er seinen Ursprung aber auch darin haben, dass sich jeder auf das bereits Vorhandene sinnvoll beziehen musste, um ernstgenommen zu werden.

Bei alledem ist zu bedenken, dass lange Zeit praktisch nur Mönche lesen und schreiben konnten, dass nahezu ausschließlich lateinisch geschrieben und gelesen wurde und dass nur in Klöstern Bibliotheken vorhanden waren. Es gab also einen äußerst selektiven Zugang zur literarischen Bildung. Auch fehlte jegliche Korrekturmöglichkeit von außerhalb. Die Umstände zur relativ beliebigen Konstruktion von Geschichten und Geschichte waren im Mittelalter geradezu ideal. [siehe zu diesem Thema auch Frage 30]

In Byzanz mag die Schriftenproduktion strenger herrschaftlich kontrolliert gewesen sein als im Westen. Der byzantinische Caesaropapismus machte den Kaiser zum Oberhaupt sowohl der Kirche als auch des Staates. Dass unter Konstantin VII., dem Fälscher auf dem Kaiserthron, systematisch und gut organisiert Geschichte geschrieben wurde, ist Historikern bekannt. [siehe Frage 17]

In der arabischen Welt schließlich wäre die vergleichsweise größte Diversität der Geschichtsschreibung zu erwarten. Denn der arabische Einflussbereich umfasste nach der Eroberung Nordafrikas und Spaniens mit vor allem Persien, Syrien und Ägypten mehrere traditionelle und voneinander durchweg unabhängige Bildungszentren.

Nimmt man allerdings mit Illig an, dass dieses Reich jahrzehntelang von den persischen Sassaniden beherrscht wurde, dann wird auch für den islamischen Raum eine Zentralisierung der Geschichtsschreibung vorstellbar. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass es der Perser at-Tabari war, der die für islamische Historiker bestimmend gewordene Frühmittelaltergeschichte geschrieben hat.

28. Gibt es denn wirklich nirgendwo Spuren mehr von der “größten Zeitfälschung der Geschichte” (Illig)? Das wäre doch kaum vorstellbar?

Wie gesagt: Es stimmt nicht, dass es keine Spuren gibt. Für den Westen wissen Historiker, dass im Mittelalter massenhaft und nicht selten im Zusammenhang gefälscht wurde. Dafür gibt es nicht wegzudiskutierende Belege. Die Zeitfälschung bringt hier nicht wirklich etwas Neues. Wo nur wenige des Lesens und Schreibens mächtig waren und die Schriftenproduktion von König, Kaiser oder Papst kontrolliert werden konnte, war auch das Geschichtsbild manipulierbar.

Indizien speziell für eine Zeitfälschung werden seit Jahren von ZS-Autoren zusammengetragen. Nur ein Bruchteil von ihnen konnte in dieser Einführung angesprochen werden. [siehe Frage 10, 11, 12, 13, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 25 und 26]

Die schönste und vielleicht hintergründigste Spur wurde von Uwe Topper entdeckt. Wo es nur offizielle und keine freie oppositionelle Geschichtsschreibung gibt, taucht historische Wahrheit in den Bereich des inoffiziell Überlieferten, der mündlichen Tradition, der Sagen und Mythen, der Religion ab. Topper stieß auf jene Legende, die als eine der wenigen sowohl in der islamischen als auch in der christlichen Welt erzählt wurde bzw. wird: auf die Siebenschläferlegende. [Topper (1994)]

Der 27. Juni ist Siebenschläfertag. Am Siebenschläfertag gedenkt die Christenheit der Heiligen Siebenschläfer von Ephesos. Diese sieben Jünglinge versteckten sich vor einer Christenverfolgung unter Kaiser Decius in einer Höhle, wo sie einschliefen und erst Jahrhunderte später erwachten. Die Siebenschläfer wurden nicht nur in Byzanz, sondern auch im christlichen Westen und im islamischen Osten verehrt. Sie schliefen je nach Überlieferung zwischen 190 und 372 Jahren. Nach der 18. Sure des Koran (“Allah weiß am besten, wie lange sie verweilten”) schliefen sie 309 Mondjahre = 300 Sonnenjahre. [siehe Frage 3]

Die Siebenschläferlegende ist im 6. Jh. entstanden, vermutlich erstmals im syrischen Sprachbereich. Auffällig ist, dass die Siebenschläfer in der islamischen Welt eine viel stärkere Verehrung genossen bzw. genießen als in Byzanz und im Westen. Noch heute gibt es vielerorts Siebenschläferhöhlen, die als Wallfahrtsstätten jährlich mit großen Besucherzahlen rechnen können. Die Siebenschläfersure des Koran dient zur Vorbereitung auf den Freitagsritus und wird mehrmals im Jahr rezitiert. [Kandler]

Hauptsächlich zwei Versionen der Siebenschläferlegende sind im islamischen Raum verbreitet. Die erste ist die Variante des bei at-Tabari zitierten Ibn-Ishaq. Nach dieser Version waren die Siebenschläfer Christen. Sie deckt sich weitgehend mit der christlichen Legende. Nach der zweiten Version des ‘Ali, des Schwiegersohns des Mohammed, waren die Siebenschläfer Muslime.

Die schiitischen Ismaeliten (die sogenannte Siebenerschi’a) glauben, dass die Siebenschläfer die von ‘Ali abstammenden, als einzig legitime Nachfolger des Propheten anerkannten Imame (religiöse Führer) sind. Sie hielten sich während einer 309 Mondjahre dauernden “Zeit der Ungerechtigkeit” in der Höhle versteckt. Im Jahre 309 der hidschra (= 922 n. Chr.) begann die Zeit der Fatimiden, die sich von ‘Alis Frau Fatima herleiten und die Verkündigungen der Siebenschläfer erfüllen sollten. Nach der sogenannten Zwölferschi’a sind die 309 Jahre die Regierungszeit des künftigen Mahdi, des als Messias wiederkehrenden letzten Imams. [Kandler 53. Siehe zum Schiismus auch Frage 21]

29. Soll denn nie jemand den Betrug gemerkt haben? Durch die FZ wurden doch Genealogien oder gar Biographien von Einzelpersonen auseinander gerissen – das muss doch irgendjemandem aufgefallen sein?

Die richtige Frage ist, wem was aufgefallen sein könnte. Wer las at-Tabari [siehe Frage 19], wer las Theophanes [siehe Frage 16]? Selbst bei den kultiviertesten Völkern des Mittelalters wie den Rhomäern, Persern, Syrern oder Ägyptern war das Lesen und Schreiben Privileg einer dünnen Oberschicht. Bei fehlender allgemeiner Schulbildung war der Analphabetismus das Normale. Soweit außerhalb der Gelehrtenkaste gelesen und geschrieben wurde, handelte es sich um das Aufstellen und Prüfen von Verträgen und geschah zu rein praktischen – wirtschaftlichen oder politischen – Zwecken.

Besaßen also nur wenige die literarische Bildung, um at-Tabari oder Theophanes lesen zu können, so bestand das nächste Problem darin, an die Texte heranzukommen. Wie viele at-Tabari- und Theophanes-Handschriften gab es denn? Wo wurden sie aufbewahrt, wer hatte Zugang zu ihnen? Wie auch immer diese Fragen genau zu beantworten sind, klar dürfte sein, dass hier eine weitere Auslese stattfand.

Dazu kommt als dritte Hürde die eingeschränkte Kontrollmöglichkeit. Wie wäre denn zu überprüfen gewesen, ob at-Tabari oder Theophanes Recht hatten? Der Wahrheitsgehalt von historischen Werken lässt sich – wenn überhaupt – anhand von anderen historischen Werken oder durch Vergleich mit materiellen Überresten feststellen. Wer aber war im 10. Jh. dazu in der Lage? Andere historische Werke über die FZ gab es (noch) nicht. Und wer interessierte sich im Mittelalter schon für irgendwelche materielle Reste vergangener Zeiten?

Nicht einfach war es zweifellos auch, über größere geographische Distanzen sowie über nationale bzw. sprachliche Grenzen hinweg die Angaben der Chronisten kritisch zu prüfen. Wer wusste in Konstantinopel etwas darüber, was in Bagdad oder auf der arabischen Halbinsel los war? Oder was wusste der Perser über Vorgänge in Ägypten oder Spanien?

Zu bedenken ist schließlich, dass gerade die entscheidenden Werke des at-Tabari und des Theophanes den Bezugspunkt der Chronologie ändern (at-Tabari führt die hidschra-Zählung ein, Theophanes eine neue Schöpfungsära), während allem Anschein nach auch Juden und westliche Christen im 10. Jh. ihre Zeitrechnung umstellen. [siehe Frage 4, 17, 19, 20, 23] Diese Manipulationen dürften es dem Nicht-Eingeweihten noch einmal beträchtlich erschwert haben, die Chronologieverlängerung zu erkennen. [WU 121 ff.]

Wenn trotz aller dieser Hindernisse dann doch der eine oder andere gelehrte Kopf Verdacht geschöpft hat: Welches Interesse hätte er daran haben können, seinem Verdacht auf den Grund zu gehen? Wie ernst wird er die erfundene Geschichte genommen haben? Wird er sich wirklich gleich – gar voller Wut über soviel betrügerische Unverfrorenheit – zu einem großen historischen Gegenentwurf aufgeschwungen haben?

Am ehesten wäre vorstellbar, dass einer oder mehrere der Gelehrten, die sich aktiv am Fälschen beteiligten – sei es aus dem Kreis um Konstantin VII., sei es aus einer vermuteten at-Tabari-Schule –, den Betrug nicht länger mitmachen wollte. Aber auch dieses Gedankenspiel erscheint unrealistisch. Hätten Deserteure und Verräter überlebt? Wenn ja, hätten sie dann die Möglichkeit gehabt, sich unabhängig schriftlich zu äußern? Und zu guter letzt: Wäre ihnen geglaubt worden?

Aus alledem folgt, dass es schon für Zeitgenossen nicht gerade einfach war, der künstlichen Chronologieverlängerung auf die Spur zu kommen oder gar sie aufzudecken. Umso schwieriger wurde es für spätere Generationen. Dass es heute vielleicht gelingen könnte, sie in ihrem ganzen Ausmaß zu rekonstruieren, dürfte den beispiellos verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten der Informationsgesellschaft zu verdanken sein. Der heutige Chronologiekritiker ist kein einsamer Forscher mehr, sondern hat die Möglichkeit, seine Erkenntnisse mit anderen zu teilen bzw. zu diskutieren. Das verschafft der Kritik den erforderlichen langen Atem, um gegen die allgegenwärtige Skepsis durchzuhalten. Ob das am Ende reichen wird, wird die Zukunft lehren.

30. Letzte Frage: Wurde denn im Mittelalter wirklich soviel gefälscht, oder behaupten das nur die Vertreter der FZT? Und ist es eigentlich nicht fast ausgeschlossen, dass sämtliche Schriften der Karolingerzeit gefälscht wurden?

Das Thema Fälschungen ist ein gefährliches und unerfreuliches. Historiker fassen es mit Samthandschuhen an. Sie halten sich häufig bedeckt, vermeiden es, Ross und Reiter zu nennen und verstecken sich hinter Ironie und Selbstironie – damit andeutend, dass sie mehr wissen als sie sagen. Die FZT hingegen macht es nötig, das Thema offen anzusprechen und durchzudiskutieren. Dieser Umstand mag mit eine Erklärung dafür sein, dass sich Historiker nur ungern mit ihr befassen.

Dabei bietet gerade die FZT die Möglichkeit, mit dem mittelalterlichen Fälschungsproblem in ganz neuer Weise umzugehen und tiefsitzende Denkzwänge aufzulockern. Denn anders als alle frühere Kritik des mittelalterlichen Fälschens versteht sich die FZT nicht als Religions-, Konfessions-, Kirchen- oder Ordenskritik. Moral- und Legitimationsfragen interessieren sie bestenfalls am Rande. Sie hat – wie oben gezeigt [siehe Frage 6, 7, 8 und 10] – ihre Wurzeln ganz woanders und kann deshalb unbefangen an das Thema herangehen. Unter dieser Voraussetzung stehen die folgenden Ausführungen.

Dass im Mittelalter außergewöhnlich viel gefälscht wurde, ist unter Historikern nicht umstritten. Im Kapitel Fälschungen über Fälschungen seiner Einladung ins Mittelalter schreibt Horst Fuhrmann: “Die Zahl der Fälschungen und der Umgang mit ihnen übersteigt in vielen Fällen unsere Vorstellung.” [Fuhrmann (1987) 195]

Gefälscht wurde alles, was sich fälschen ließ: Urkunden, Siegel, Münzen, Briefe, Briefsammlungen, Vitae, Genealogien, Gesta, Chroniken, Annalen, Güterverzeichnisse, Bibliothekskataloge, Martyrologien, Nekrologien usw. Hinzu kommen als Nebenformen oder Unterarten des Fälschens das Pseudepigraphieren, das Erfinden von Personen und Geschichten und das Rückdatieren von Schriften, Kunstwerken, Bauten, Reliquien sowie von allen denkbaren Stiftungen und Gründungen. [FM und VL]

Der Sinn dieser Tätigkeit war hauptsächlich das Untermauern von Geltungsansprüchen jedweder Art. Diese beschränkten sich nicht auf materielle (Besitz-)Ansprüche, sondern schlossen sämtliche Rechts- und Machtansprüche mit ein. Außerdem wurden theologische und philosophische Streitigkeiten mit gefälschten, pseudepigraphierten und rückdatierten Schriften ausgetragen. [FM und VL] Über das unmittelbar praktische Motiv hinaus mögen dabei andere Faktoren (etwa die Lust am Fantasieren und Fabulieren) mit im Spiel gewesen sein.

Im Vordergrund des Forschungsinteresses steht seit langem das Fälschen von Urkunden. Dieses war der Hauptgrund für das Entstehen einer eigenen Urkundenwissenschaft (Diplomatik) im 17. Jh. [von Brandt 98] Als Begründer der Diplomatik gilt der Benediktiner Jean Mabillon (1632-1707), der mit seinem sechsbändigen Werk De re diplomatica jesuitischen Fälschungsvorwürfen begegnete. Der Jesuit Jean Hardouin (1646-1729) reagierte auf dieses Unternehmen mit dem versuchten Nachweis, dass sämtliche mittelalterliche Urkunden benediktinische Fälschungen waren. [Lelarge]

Die Diplomatik folgte bislang Mabillon und nicht Hardouin. Allerdings kann ein Ahasver von Brandt im Einklang mit Horst Fuhrmann schreiben: “Die Fälschung von Urkunden ist im Mittelalter, namentlich in der Zeit etwa vom 10. bis zum 13. Jahrhundert, in einer Massenhaftigkeit betrieben worden, von der sich der Laie kaum eine Vorstellung machen kann.” [von Brandt 98]

Es blieb freilich nicht beim Urkundenfälschen. Denn das Urkundenfälschen zog weitere Fälschungen nach sich, mussten doch z. B. Itinerare von Königen und Kaisern angepasst werden, um zu erklären, wie diese – manchmal am selben Tag – quer durch Europa Urkunden ausstellen konnten. Auf diesem Weg entstand das Bild von den ununterbrochen reisenden Kaisern.

Dass im Mittelalter nicht nur massenhaft Urkunden gefälscht, sondern auch massenhaft pseudepigraphiert wurde, zeigt das Beispiel des Pseudo-Augustin. Bis zum Jahr 1986 hatte die Forschung bereits Dutzende fälschlicherweise Augustinus zugeschriebene Werke entlarvt. Mehrere tausend Abschriften dieses Pseudo-Augustin (hinter dem sich verschiedene, dem Mediävisten zum Teil bekannte Autoren verbergen) sind heute noch vorhanden. Die falschen Werke des Augustinus wurden im Mittelalter im Durchschnitt häufiger kopiert als die vorerst weiterhin für authentisch gehaltenen Schriften des Kirchenvaters. [Dekkers]

Es ist anzunehmen, dass das Fälschen und Pseudepigraphieren von höchster kirchlicher Stelle nicht nur geduldet, sondern auch gefördert wurde. So geht Horst Fuhrmann davon aus, dass der Münchener Kirchenhistoriker Ignaz Döllinger (1799-1890) Recht hatte mit seiner These, der Romprimat habe sich mit Hilfe von Fälschungen durchgesetzt. [Fuhrmann (1986) 88; siehe Frage 10] Dieser Umstand könnte das ungeheure Ausmaß des im Hochmittelalter betriebenen Fälschens zumindest halbwegs erklären. [siehe zu diesem Thema auch Frage 27]

Der ganze Umfang des mittelalterlichen Fälschens, Erfindens, Pseudepigraphierens und Rückdatierens lässt sich noch immer nicht genau abschätzen. Eine systematische Studie mit verlässlichem Überblick gibt es bislang nicht. Ein Hauptgrund für dieses einstweilige Unterbleiben ist wohl, dass verbesserte Methoden und zunehmendes Wissen laufend mehr Fälschungen an den Tag bringen. [Dekkers 363]

Vor diesem Hintergrund ist nun die Frage zu beantworten, ob es vorstellbar ist, dass die ganze Geschichte der Karolingerzeit erfunden oder erfälscht werden konnte. Der Münsteraner Ordinarius Gerd Althoff umschreibt die Aufgabe so: “Nicht Karl den Großen allein, wie Illig weitgehend suggeriert, musste man erfinden, sondern eine in sich stimmige Hochkultur mit allen ihren Facetten.” [Althoff 483]

Nun steht es schon mit dem Protagonisten der Althoffschen Hochkultur nicht zum besten, wenn’s um Stimmigkeit geht. [siehe Frage 13] Vergleichbares ließe sich unschwer für den Rest jener Hochkultur zeigen. [DeM und WU] Das wenige gleichwohl Zusammenpassende lässt sich andererseits gut erklären. [siehe Frage 27]

Auf die Frage, wie viele Urkunden denn von der Zeitfälschung betroffen wären, gibt Althoff die bemerkenswerte Antwort: “Tausende (oder Hunderttausende)”. Da mit dieser verwirrenden Antwort nicht viel anzufangen ist, soll hier die Schätzung von Arno Borst als Leitfaden dienen: Borst setzt die Zahl der karolingerzeitlichen Handschriften mit 7000 an. [Borst (1998) 15]

7000 ist nicht viel, wie allein schon die Tausende von Abschriften deutlich machen, die fälschlicherweise unter Augustinus’ Namen in Umlauf waren. [siehe oben] Zwar geht es hier um einen vorkarolingischen Autor, aber die vielen Abschriften vermitteln einen Eindruck von der Produktivität der Pseudepigraphen und Kopisten. Bedenkt man weiter, dass zu den 7000 Handschriften etwa jene 270 Karlsurkunden zählen, von denen bereits über 100 als Fälschung entlarvt wurden, sowie die 70 langobardischen Königsurkunden, die zu 80% erwiesenermaßen, aber vermutlich alle gefälscht sind, beginnt sich die Zahl 7000 zu relativieren.

Denn mit zu den Karolingerhandschriften gehört nicht zuletzt das Konvolut der Pseudo-Isidorischen Fälschungen mit ca. 10.000 Seiten. Oder die Historia Caroli Magni et Rotholandi des Pseudo-Turpin. Oder der Skt. Gallener Klosterplan, der wegen weitgehend fehlender Karolingerbauten die typisch karolingische Architektur repräsentieren muss, obwohl seine ausgeschiedene Vierung und sein gebundenes Maßsystem erst in der Romanik verwirklicht werden sollten. Oder endlich all jene Schriften, die – wie vermutlich Beda [WU 122-127] oder Eriugena [DeM 367] – zwar nach der FZ entstanden sind, aber nachträglich in sie rückdatiert wurden und somit nicht als Fälschungen im engeren Sinn gelten können.

Schließlich ist zu bedenken, dass Diplomatiker auch solche Urkunden für echt halten, von denen lediglich Jahrhunderte später entstandene, bislang nicht sicher als Fälschung nachgewiesene Abschriften erhalten sind. Dabei lassen sie die Frage unbeantwortet, warum diese Abschriften soviel später überhaupt angefertigt wurden.

Selbstverständlich wäre zu diesem Thema noch sehr viel mehr zu sagen. [siehe FM und VL] So wäre auf die vermutlich hochmittelalterliche Entstehung der karolingischen Minuskel einzugehen. Oder auf die Ununterscheidbarkeit von karolingischer und ottonischer Buchmalerei. Ferner etwa auf die auffällige Bücherarmut frühhochmittelalterlicher Klosterbibliotheken – wenn man den Bibliothekskatalogen Glauben schenken darf. Das alles kann hier nur angedeutet werden. Der Leser sei für weitere Hinweise auf Illigs Bücher und auf die ZS verwiesen.

Insgesamt bleibt der Eindruck, dass die Fälschung von 7000 karolingerzeitlichen Handschriften durchaus im Bereich des Möglichen lag. Sicher ist hier noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Zu klären wäre etwa (soweit machbar), wer wann wo was gefälscht hat – genauso wie das in vielen Fällen für Pseudo-Augustin bereits getan wurde. Festhalten lässt sich aber auf jeden Fall schon jetzt, dass die von der FZT vorausgesetzte Fälschungstätigkeit und -masse nicht erheblich über das hinausgeht, was Historikern längst bekannt ist.

Literatur

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10 Kommentare zu “FAQ”

[…] Im Mittelalter wurden nicht nur massenhaft Urkunden gefälscht, Schriften rückdatiert und Geschichten erfunden, es wurde auch in großem Umfang pseudepigraphiert. Was Naturwissenschaftler herausfanden […]

[…] Warum liegt hier nun ein gravierender Fall von Fehlinformation vor? Warum handelt es sich bei der porphyrogennetischen Aktion um ein zentrales Theorem der Phantomzeittheorie? Der Grund ist, dass Illigs These einen Umstand in Erinnerung ruft, den die traditionelle Geschichtsschreibung lange verdrängt hat: nämlich dass im 10. Jahrhundert Konstantinopel ein Bildungszentrum war, das in der übrigen Welt seinesgleichen suchte. Was in Konstantinopel an historischem Bildungs- und Wissensstand vorgegeben wurde, musste in den Staaten, die die Nachfolge des weströmischen Reiches angetreten hatten, als Autorität gelten. Tatsächlich genoss die Chronik des Theophanes, die gemäß Illig die künstlich verlängerte Chronologie in die Historiographie eingeführt hat, im Westen hohes Ansehen – wie Byzantinisten übereinstimmend berichten. Sie kann also sehr wohl für spätere westliche Geschichtschreibung maßgeblich geworden sein. […]

[…] wird vor diesem Hintergrund praktisch unmöglich. Die Unwägbarkeiten sind zu groß geworden. Bekanntlich hat Prof. Herrmann das selbst schon einmal so gesehen – damals freilich noch ganz ohne Plasmaphysik […]

[…] Verfahren, ist zwar eventuell ein Zeitpunkt BP (“before present” – siehe FAQ, Frage 5) bestimmt worden. Dann aber landeten wir damit bestenfalls unter Voraussetzung der traditionellen […]

[…] Jan (2002): Dreißig Fragen zur Phantomzeittheorie Birken, Andreas (2005): „Das porphyme Fundament der Mittelalterthese“, in: ZS 17(2)465-471 […]

[…] Versuch einer Ehrenrettung des Claudius Ptolemäus; in: ZS 13 (4) 590-616 u. 14 (1) 32-48 – (2002): Dreißig Fragen zur Phantomzeittheorie; http://www.mantis-verlag.de/faq.html Kr. = Krojer, Franz (2001): Zur Kritik der […]

[…] sich näher mit dem Phänomen des exzessiv betriebenen mittelalterlichen Fälschens befassen (siehe FAQ, Frage 30 und passim). Eine Vermutung über das Motiv zur Erfindung der mittelalterlichen Fantomzeit habe ich […]

[…] Erst weitere Überlegungen bewogen Illig zur Annahme einer Phantomzeit von 297 Jahren (siehe dazu Frage 12 der FAQ zur Phantomzeitthese). Geschichtsschreiber sollen sich alle Ereignisse dieser Jahrhunderte […]

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2. Januar 2006                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Zeitensprünge

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Karlsevolutionen und -kuriosa. Rupertuskreuz, Jubiläen und 1 neue Karolingerpfalz

von Heribert Illig, mit einem Beitrag Jürgen v. Strauwitz’
(Zeitensprünge 1/2006)

1. Das Salzburger Rupertuskreuz

Der gelehrte Rabanus Maurus muss sich heuer gegen Mozart behaupten: 250. Geburtstag gegen 1150. Todestag; dazu Heine und Freud mit demselben Jahr 1856. Natürlich wird der Komponist den Psychoanalytiker wie den Dichter ausstechen und den „afrikanischen Raben“ fast zu einer fiktiven Gestalt werden lassen. Immerhin gedenkt Mainz seines einstigen Erzbischofs, der von 847 bis zu seinem Tod im Jahr 856 dieses Amt bekleidet haben soll. In der ihm gewidmeten Ausstellung wird vor allem eine berühmte Prunkhandschrift aus dem Vatikan gezeigt: Lob des heiligen Kreuzes (Laudibus Sanctae Crucis). Sie enthält 28 Figurengedichte auf Purpurhintergrund. Rabanus soll die Gedichte um 814 als Leiter der Klosterschule in Fulda verfasst und die Handschrift von 825/26 als Erzbischof selbst korrigiert haben. Weiter … »

Ein Kommentar zu “Karlsevolutionen und -kuriosa. Rupertuskreuz, Jubiläen und 1 neue Karolingerpfalz”

[…] H. Illig u. Jürgen v. Strauwitz: Karlsevolutionen und Karlskuriosa. Rupertuskreuz, vier Jubiläen u. a. […]

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31. Dezember 2003                     Kategorie(n): Artikel aus den ZS, Fantomzeit, Mittelalterdebatte, Zeitensprünge

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Das Scheitern der Archäoastronomie

Zu Franz Krojer: Antworten von Heribert Illig, Jan Beaufort und Gunnar Heinsohn
(aus Zeitensprünge 3/2003)

Kr. = Krojer, Franz (2003): Die Präzision der Präzession. Illigs mittelalterliche Phantomzeit aus astronomischer Sicht. Mit einem Beitrag von Thomas Schmidt; Differenz-Verlag, München

I. Rückweisung der bislang gewichtigsten Kritik an der Phantomzeitthese

Heribert Illig

Viel mehr Ehre kann einem Forscher gar nicht widerfahren, als dass sich ein Kontrahent vier Jahre lang trotz Weib, Kind und Beruf damit beschäftigt, eine Theorie nach allen Regeln einer ihm gar nicht originär geläufigen Zunft zu widerlegen. Insoweit bin ich Franz Krojer dankbar, zumal er sich mannhaft, doch weitgehend vergeblich gegen die “damnatio memoriae” gestemmt hat, die höheren Ortes verfügt worden ist.

Es darf eingeflochten werden, dass es sich bei der “Austilgung des Andenkens” um einen Begriff aus dem römischen Strafrecht der Kaiserzeit handelt. Wegen Hochverrats konnte nicht nur die Todesstrafe, sondern darüber hinaus auch die “damnatio memoriae” verhängt werden. Daraufhin wurden die Standbilder des Staatsverbrechers entfernt, sein Name aus offiziellen Inschriften, manchmal auch aus privaten Urkunden gestrichen. Ich will hoffen, dass die Mediävisten hier nicht im Detail Bescheid wissen.
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5 Kommentare zu “Das Scheitern der Archäoastronomie”

[…] im frühen Mittelalter? Vorheriger/Nächster Beitrag « Zeitensprünge 2003/02 | Home | Das Scheitern der Archäoastronomie » 31. Dezember 2003 um […]

[…] Gegebenheiten der verlängerten Mittelalterchronologie angepasst worden (vgl. Beaufort (2001) und Illig/Beaufort/Heinsohn (2003)). Mit Theons Werk könnte eine entsprechende Manipulation vorgenommen worden sein. Wer solche […]

[…] Jan (2003): Die Fälschung des Almagest und ihre Verdrängung durch Krojer; in: ZS 15 (1) […]

[…] Gunnar (2003): Krojer und die Auschwitzleugnung (Das Scheitern der  Archäoastronomie III); in Zeitensprünge 15 (3) 516 […]

[…] (2003): Das Scheitern der Archäoastronomie. Rückweisung der bislang gewichtigsten Kritik an der Phantomzei… Zeitensprünge 15 (3) […]

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19. Dezember 1999                     Kategorie(n): Fantomzeit

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Kalender mit beschränkter Haftung

Frühmittelalterliche Phantomzeit auf schwebenden Fundamenten

von Heribert Illig (aus der österreichischen “GEGENWART” 4/96)

Den Vorhang zu und alle Fragen offen? So verabschiedete sich der Verfasser zwar in seinem Artikel in der GEGENWART 28, aber SO einfach gab sich die Leserschaft damit nicht zufrieden. Die Redaktion bekam einen ganzen Sack voller Fragen, Zweifel und Kritiken in den Flur gestellt. Am häufigsten tauchte darin die Frage auf, wie sich ein um fast 300 Jahre gekürztes europäisches Mittelalter mit der Zeitrechnung anderer Länder und Völker vertragen solle.

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"Die karolingische Fundsituation Aachens unterscheidet sich insofern von der römischen, als in beiden Fällen zwar die monumentalen Ortskerne noch recht gut nachgewiesen werden können, aber der römische vicus wenigstens mit einigen Befunden aufwartet, während sich die vermeintlichen karolingischen vicus-Reste bei genauerem Hinsehen zu nichts verflüchtigen." [Mann, Vicus Aquensis]